Das Leben der Dinge, das Denken der Zahlen

Kultur / 19.12.2025 • 10:47 Uhr
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„The Bright Side“ von Stefan Sagmeister ist die Eröffnungsausstellung im „curious – creative space Lech”. Andreas Vaschauner

Stefan Sagmeisters Ausstellung öffnet im „curious – creative space Lech“ Denk- und Erfahrungsräume.

Lech Mit dem „curious – creative space Lech” entstand in den Lechwelten ein neuer Raum, der sich gezielt vom herkömmlichen Ausstellungsbetrieb abgrenzt. Unter der Leitung von Axel Pfefferkorn wird hier ein Umfeld geschaffen, in dem Kunst, Gestaltung und Gegenwartsreflexion nicht als abgeschlossene Produkte, sondern als Prozesse begriffen werden, als Einladung zur Auseinandersetzung. Im Zentrum stehen nicht fertige Setzungen, sondern Veränderung, Offenheit und Dialog. Die Besucherinnen und Besucher sollen nicht nur Rezipienten, sondern Beteiligte sein.

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Andreas Vaschauner

Der Raum versteht sich als Labor. Präsentationen, Pop-up-Formate und wechselnde Ausstellungen bilden eine bewusst bewegliche Struktur, die sich kontinuierlich verändert. Anstelle klarer Deutungen treten Fragmente, Übergänge und Zwischenräume. Zentrale Prämisse ist die Offenheit für Entwicklungen sowohl im kuratorischen Konzept als auch in der Wahrnehmung des Publikums.

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Andreas Vaschauner

Eröffnet wird der neue Ort mit der Ausstellung „The Bright Side“ von Stefan Sagmeister, die bis zum 18. Jänner 2026 zu sehen ist. Der aus Vorarlberg stammende Gestalter hat in den vergangenen Jahrzehnten konsequent die Grenzen zwischen Grafikdesign, Kunst und Gesellschaftsanalyse überschritten. Im Zentrum der Ausstellung steht die Frage nach dem Verhältnis von Gegenwart und Zukunft: Wie verändert sich unsere Sicht auf die Welt, wenn wir nicht auf tagesaktuelle Krisen reagieren, sondern langfristige Entwicklungen in den Fokus rücken?

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Andreas Vaschauner

Die Arbeiten basieren auf Daten der Weltbank und der Vereinten Nationen zu den Themen Lebenserwartung, Bildung, Gesundheit und Armut. Sagmeister übersetzt diese Informationen in visuelle Erzählformen. Mithilfe historischer Gemälde, skulpturaler Objekte, Textilien und großformatiger Installationen werden statistische Entwicklungen sinnlich erfahrbar. Dabei erscheint Fortschritt nicht als lineare Erfolgsgeschichte, sondern als widersprüchlicher, komplexer und dennoch nachvollziehbarer Prozess.

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Andreas Vaschauner

Gerade in einem gesellschaftlichen Klima der Überforderung gewinnt diese Perspektive an Gewicht. „The Bright Side“ beschönigt nichts, sondern entwickelt – bei aller analytischen Nüchternheit – eine alternative Sicht auf das Verhältnis von Realität und Entwicklung. Sagmeister verweist auf Verbesserungen, ohne deren Ambivalenzen zu verschweigen. Seine These lautet: Wer das historisch Erreichte versteht, blickt anders auf das, was gegenwärtig fehlt.

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Andreas Vaschauner

Stefan Sagmeister, 1962 in Bregenz geboren, gehört zu jenen Gestaltern, die Design als intellektuelle Praxis begreifen. Seine Ausbildung an der Universität für angewandte Kunst in Wien und am Pratt Institute in New York legte den Grundstein für eine Haltung, die europäische Disziplin mit amerikanischer Freiheit verbindet. International bekannt wurde er in den 1990er Jahren durch Arbeiten für Musiker wie Lou Reed, die Rolling Stones oder David Byrne. Doch schon früh verlagerte sich sein Interesse vom reinen Auftragsdesign hin zu konzeptuellen, oft radikalen Experimenten, in denen Typografie, Körper, Raum und Zeit eine zentrale Rolle spielen.

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Andreas Vaschauner

Ein prägendes Element seines Werks sind die regelmäßig eingelegten Sabbaticals, in denen er sich bewusst vom Produktionsdruck löste, um neue Fragestellungen zu entwickeln. Aus diesen Phasen gingen unter anderem seine intensiven Auseinandersetzungen mit dem Thema Glück hervor, in denen er Daten, persönliche Beobachtungen und wissenschaftliche Erkenntnisse miteinander verband. Auch in „The Bright Side“ zeigt sich diese Arbeitsweise, die analytische Schärfe mit spielerischer Leichtigkeit verbindet und Gestaltung als Werkzeug der Erkenntnis nutzt.

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Andreas Vaschauner

Zu den Kooperationspartnern zählen unter anderem die Galerie Maximilian Hutz und das Studio Ponier. Mit der Ausstellung von Sagmeister erhält der neue Ort ein klares Profil. „curious – creative space Lech” steht für ein erweitertes Verständnis von Kunst: nicht als Inszenierung, sondern als Möglichkeit zur Auseinandersetzung. Kulturelle Räume können mehr sein als Repräsentationsorte – Orte, an denen Fragen erlaubt sind.