Ibiza-U-Ausschuss – Unsägliches Polit­theater

Leserbriefe / 01.07.2020 • 18:05 Uhr

Was für eine armselige Show im politischen Wien. Das Parlament gönnt sich einen Untersuchungsausschuss und die Mächtigen im Lande zeigen offen, wie unwichtig für sie politische Redlichkeit, Offenheit und tatsächliche Aufklärung sind: Den Ausschussvorsitz übernimmt der Parlamentspräsident, der durch seine vorherigen Ämter befangen ist – auch wenn er selbst das nicht meint. Das „berühmte“ Ibiza-Video ist seit 2019 bekannt, doch die Ausschussmitglieder dürfen es nicht sehen. Österreichische Behörden streiten sich, ob, wie, wann und in welchem Umfang das ermöglicht wird. Wird dem Ausschuss das Video von außen angeboten, wird durch die hochkarätige Ausschussleitung dankend abgelehnt. Lieber hört man den Chefredakteur einer großen Zeitung an, der dem Ausschuss über Inhalte berichten kann. Von der Opposition angeforderte Unterlagen werden Ausschussmitgliedern vorenthalten oder großzügig geschwärzt. Um die Vorladung von Zeugen wird grundsätzlich gestritten und die Reihenfolge ihrer Anhörung scheint wichtiger als die eigentliche Aufklärung. Die meisten Zeugen tragen nicht zur Aufklärung bei, weil gegen sie bereits Anklagen vor Gericht anhängig sind. Der amtierende ÖVP-Finanzminister kann sich so häufig nicht erinnern, dass daran gezweifelt werden muss, ob er überhaupt für ein Ministeramt geeignet ist. Fazit: Aussageunwillige Zeugen gepaart mit einem völlig unzureichenden Untersuchungsausschuss-Gesetz ergeben eine Politfarce, die einer parlamentarischen Demokratie unwürdig ist!

Jürgen Gerdes, Mellau