Schandflecken Europas

Leserbriefe / 11.08.2020 • 18:42 Uhr

Ja, die griechischen Lager sind Schandflecken auf europäischem Territorium. Es ist zwar möglich, aber kein langfristiges tragendes Konzept, „unbegleitete Kinder“ – sprich: junge Männer ohne Pass – oder Mütter mit Kindern (ohne ihre Väter?) aufzunehmen. Großzügige Ausnahmelösungen erwecken leicht den Eindruck beliebiger Nachgiebigkeit, wirken als Magnete und bergen damit die Gefahr einer Verschärfung der Migrationsproblematik. Wer sich so gerne im moralischen Überbieten übt wie Herr Walser (VN vom 10.8.20) oder die medial gut vernetzte Flüchtlingsinitiative „Uns reicht’s!“, soll einmal die eigenen Vorstellungen von Machbarkeit oder Beschränktheit aufzeigen. Was ist, wenn Erdogan seine letztjährige Probe-Erpressung ausdehnt und alle drei Millionen Flüchtlinge Richtung EU schickt mit der Aufforderung: „Geht nur, etwas Geduld, und es klappt!“? Mit welchen Mitteln darf die EU bei aggressivem Ansturm auf Grenzzäune reagieren?

Was ist aus humanitärer Sicht mit Menschen in etwas entfernteren Katastrophengegenden, deren noch schlimmeres Elend uns kein Reporter vor Augen führen kann? Eventuell eine Luftbrücke in den Jemen mit Bleiberecht für die Evakuierten? Vor allem: Wie viele Menschen soll die EU pro Jahr aufnehmen? Sind Obergrenzen für Sie moralisch überhaupt vertretbar, Herr Walser, vielleicht nach einem verstohlenen Blick in unsere Kindergärten? Wenn nein, bekennen Sie sich dazu, ansonsten nennen Sie uns Ihre konkreten Zahlen.

Gerald Grahammer, Lustenau