Unterwerfung der „Wildnis“
Ob es so etwas wie „Wildnis“ in Mitteleuropa noch gibt, darf sicher bezweifelt werden. Lediglich das wirklich „Wilde“, die Feinde einer bestimmten Fraktion, sind noch nicht ganz unterworfen. Wölfe sind widerständig, kehren in ihre Lebensräume zurück und die Bevölkerung soll darum stets frühzeitig über eine potenzielle Bedrohung alarmiert werden. Bereits mehrere Stücke Schalenwild wurden in kurzer Zeit gerissen (Gesundheitspolizei?!). Wahrscheinlich wurden in derselben Zeit weitaus mehr Stücke Schalenwild erschossen (Schonzeitaufhebung!). Auch der Mensch ist mittlerweile 24 Stunden im Wald anwesend, ausgestattet mit Nachtsichtgerät und Wärmebildkamera. Wenn man den Umgang mit Wildtieren insgesamt betrachtet, drängt sich der ernüchternde Verdacht auf, dass eigentlich alles „Wilde“ in der „Kultur“ in irgendeiner Form schädlich ist und darum zurückgedrängt und/oder getilgt werden muss. Die Anpassung von Abschussplänen an die Präsenz eines – gegenüber durchziehenden Einzeltieren – weitaus berechenbareren Wolfsrudels (Hackländer 2020), wird da kalkulatorisch offensichtlich zu einem unlösbaren Problem. Vielleicht schießt die Landesregierung passend zur Weihnachtsverordnung über „Rotwildregulierungsgatter“ ja noch eines zu „Problemwolfregulierungsmaßnahmen“ hinterher. Das ist schließlich viel bequemer als eine seriöse, ethisch vertretbare Alternativensuche zum Umgang mit Wildtieren, ihren Lebensrechten und insbesondere ihrem Lebensraum. Der Mensch kann Wildtiere nicht ersetzen. Mit dem Auslöschen jeder einzelnen Art wird die Natur kontinuierlich instabiler.
Ulrike Schmid, BA MA, Götzis