Ein Sittenbild
… unserer politischen Landschaft? … ist man vor dem Hintergrund der österreichweit Aufsehen erregenden Feldkircher Impfcausa geneigt zu fragen. Ein Bürgermeister, dem es trotz nachgewiesener Verfehlungen erst nach massivem öffentlichem Druck gelingt, sich öffentlich bei der Bevölkerung für sein Verhalten zu entschuldigen. Der es vorzieht, eine besonders couragierte Ärztin indirekt der Unwahrheit zu bezichtigen, weil ihre Wahrnehmungen nicht in seine Rechtfertigungsstrategie passen und sie damit in einer Umkehr der Täter-Opferrolle Beschimpfungen und Anpöbelungen durch eifernde Gefolgsleute aussetzt. Zeichnet dieses Verhalten tatsächlich ein allgemein gültiges Bild eines politischen Spitzenvertreters wider, der – zumindest nach früherem Verständnis – ein Vorbild in Fragen von Rechtstreue und Anstand, kurz gesagt von gelebter Moral ist? Die Antwort ist Nein: Es sind Einzelfälle von politischen Vertreterinnen und Vertretern, die ihr von den Wählerinnen und Wählern zum Ausdruck gebrachtes Vertrauern missinterpretieren, die durch mangelnde Einsicht in eigenes Fehlverhalten und durch striktes Verneinen einer Rücktrittskultur das Bild eines Politikers in ein dunkles Licht rücken. Nein: Es gibt sehr wohl viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die im Wissen um den hohen Wert des übertragenen Vertrauens ihr Amt mit moralischer Autorität ausfüllen und mit Leidenschaft das Gemeinwohl vor die persönlichen Interessen stellen.
Dr. Peter Kircher, Feldkirch