Vorsicht Antisemitismus
Zum Gastkommentar von Harald Walser, VN vom 15. März:
Ich zweifle nicht, dass überall, wo Rechtsradikale mitmischen, auch der Antisemitismus nicht fehlt. Die Bilder der Wiener Demos zeigten einige Davidsterne mit Aufschriften, die allerdings keine Judenfeindlichkeit vermitteln, sondern dem unguten Propagandamittel entsprechen, die eigene als ausgrenzend empfundene Behandlung der Judenverfolgung gleichzusetzen. Solche Parallelen werden von vielen Seiten ähnlich unpassend hergestellt, und nicht umsonst verwehren sich jüdische Gemeinschaften dagegen. Es ist im Grunde eine Verharmlosung des Nationalsozialismus, denn die Wehwehchen der Gegenwart verblassen angesichts der Gräuel der Vergangenheit.
Zur Antisemitismusstudie des Innenministeriums: Die Zustimmung zu der in der Befragung vorgegebenen Aussage, dass „eine mächtige und einflussreiche Elite (z. B. Soros, Rothschild, Zuckerberg)“ die Pandemie nutze, „um ihren Reichtum und politischen Einfluss auszubauen“, drückt überhaupt nicht zwingend irgendeine Verschwörungstheorie aus: weder eine antisemitische noch eine antiglobalistische oder antikapitalistische. Wie kann man davon ausgehen, dass globale, übermächtige Marktbeherrscher ihre Geschäftschancen nicht nützen? Das betrifft auch nicht-jüdische Unternehmer wie Bill Gates oder Jeff Bezos (Amazon), die in der Pandemie durch ihre Waren- bzw. Dienstleistungen zwangsläufig aufblühen mussten, und auf niedriger Ebene beispielsweise österreichische Gesichtsmasken-Hersteller. Wer Antisemitismus erheben will, muss schon sorgfältiger vorgehen. Sonst gerät man in Verdacht, aus unseriösen Vergleichen und Erhebungen politisch-ideologisches Kleingeld machen zu wollen.
Gerald Grahammer, Lustenau