Die rote Linie
Die „rote Linie“ ist eigentlich eine rot-weiß-rote Linie. Niemals hat in Österreich ein Minister, geschweige denn ein Bundeskanzler, regiert, wenn er gleichzeitig Angeklagter war. Das war, das ist ein „No go“. Viele, sehr viele sehen das so. Auch in der ÖVP. Dort sogar besonders. Viele sind verstört. Irritiert. Verunsichert. Es ist ihnen extrem unwohl. Kann es sein, dass sie auf ein falsches Pferd gesetzt haben? Dass sie sich getäuscht haben? Getäuscht wurden? Genau dieses Täuschungsmanöver legt nun die Staatsanwaltschaft zur Begutachtung vor: Zwischen dem, was Kurz im Untersuchungsausschuss des Parlaments unter Wahrheitspflicht gesagt hat und dem, was durch authentisch belegte Chats zwischen ihm und seinen Vertrauten bekannt wurde, klaffen Welten. Beschämend, wie er seinen Günstling Schmid beglückwünschte, entlarvend, wie er ihn gegen die katholische Kirche forcierte. Ein steirischer Industrieller, der Kurz lange unterstützte, in ihm einen Hoffnungsträger für eine neue Politik sah, wandte sich bereits mit Entsetzen ab. Was ist wichtiger: Kurz oder der Staat, die Republik? Darf ein Kanzler ungestraft die Unwahrheit sagen, lügen, auch dann, wenn er unter Wahrheitspflicht steht? Kurz will das aber: Er will als Angeklagter weiter Kanzler sein, ja sogar als Verurteilter weiterregieren: Er werde nie zurücktreten. Sorry, Basti. Es gibt eine rot-weiß-rote Linie. Für alle.
Andreas Postner, Rankweil