Hippies in
Afghanistan

Leserbriefe / 07.09.2021 • 18:33 Uhr

Es gab eine Zeit in Afghanistan, als Hippietruppen einfielen und die Allah-Gläubigen zum Staunen brachten. Ihr Motto „make love not war“. Die Reaktion dieser Invasion: Unverständnis über das sündige Treiben und muslimische Gastfreundschaft. Das Köpfeschütteln über diese kuriosen Typen ging rasch in geschäftiges Köpfenicken und Händereiben über. Die sprichwörtliche orientalische Geschäftstüchtigkeit gewann die Oberhand, die friedfertigen Invasoren brachten Devisen. Besonders der Handel mit garantiert biologischen Rauschmitteln, quasi im „Ab-Hof“-Vertrieb bescherte vielen Wohlstand und Frieden. Kabul zählte in den 60er-Jahren zu den lebenswertesten Metropolen mit internationalem Publikum. Alle Kulturen und Glaubensrichtungen begegneten sich auf Augenhöhe. Kritik an Bekleidungsvorschriften, Forderungen zu mehr Frauenrechten, Bildung und abendländisch säkulare Kultur waren kein Thema. Jeder war mit seinem Weltbild im Reinen und mit den Anderen in Frieden. Frauen erhielten 1963 das Wahlrecht, noch vor den Schweizerinnen 1971. Dann strategisch wirtschaftliche Interessen der Großmächte, besonders an den Bodenschätzen. Der Vorwand zu den Einmärschen war Friede, Demokratie und Gleichberechtigung für alle Afghanen. Als diese Vorhaben misslangen, folgten Bomben und Granaten. Das Fazit: Grandioses Scheitern aller imperialistischen Ziele, die Geburtsstunden der Taliban und noch brutaleren Islamisten-Gruppen. Die Hippies waren besser.

Günter Jochum, Götzis