Raus aus der Komfortzone

Im Winter, wenn die Tage kurz und die Nächte lang sind, zünden wir gerne Lichter an, um die Dunkelheit zu erhellen. Weihnachtsbeleuchtungen in Innenstädten und Dorfplätzen, Lichterketten an Dächern und Hausfassaden, beleuchtete Tannenbäume vor Kirchen und in Gärten, … alle haben sie eines gemeinsam: der Dunkelheit den Schrecken zu nehmen. Auch die Kerzen am Adventkranz spielen mit dieser Symbolik, vom Dunkel zum Licht. Mit dem Anzünden jeder weiteren Kerze – vom ersten bis zum vierten Adventsonntag – wird es heller und heller. Doch dieses Jahr bleiben vielerorts die Lichterketten dunkel. Die Gründe dafür kennen wir.
Die Idee vom Zorngericht Gottes
Zur Zeit Jesus war der Gedanke vom Zorngericht Gottes weit verbreitet. Das jüdische Volk lebte in der Erwartung, dass Gottes mächtige Hand im Zorn all jene vernichten würde, die Gottes Gebote missachteten und auf Kosten anderer lebten. Die beiden Philosophischen Schulen der Pharisäer und der Sadduzäer glaubten nicht an dieses Gottesgericht. Sie hielten sich stur an die Gesetze und legten diese im Notfall auch zu ihren eigenen Gunsten aus. Dennoch waren einige von ihnen nicht abgeneigt, sich sicherheitshalber taufen zu lassen – falls die gottgläubigen Juden doch recht haben sollten. Ganz nach dem Motto „Nützts nichts, schadets nichts.“
Raus aus der Komfortzone
Für Johannes den Täufer war diese Haltung Stein des Anstoßes. „Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Zorngericht entrinnen könnt?“ (Mt 3,7), fragt er die Pharisäer und Sadduzäer. Johannes wird zum Mahner der Stunde: Wer in das Reich Gottes möchte, muss – biblisch gesprochen – umkehren. „Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt“ (Mt 3,8), fordert Johannes sie auf. Gemeint damit ist eine Änderung der Einstellung gegenüber dem Anderen, sich selbst und letztlich gegenüber Gott. Wer in das Reich Gottes möchte, richtet nicht nach Augenschein und Hörensagen, sondern nach Gerechtigkeit (Jes 11,3). Der setzt sich für die Armen und Schwachen ein, bietet den Wehrlosen Schutz und kämpft für den Frieden. Der bewegt sich sozusagen aus der eigenen Komfortzone – für ein größeres Ganzes. Die Umkehr des Einzelnen bewirkt die Ausweitung des Himmelreichs, so die Vorstellung. Jenes Himmelreichs, von dem Johannes in der Wüste verkündet, es sei nahe.
Die Hoffnung auf Neuordnung
Es ist schwer zu glauben, dass dieses Himmelreich in greifbarer Nähe sein könnte. Ehrlich gesagt ist es leichter, der Gedankenschule der Pharisäer und Sadduzäer zu folgen, die dem Reich Gottes keinerlei Bedeutung beimaßen und ihr Leben entlang der geltenden Gesetzt ausrichteten. Die der Möglichkeit einer Neuordnung der Schöpfung und der Menschheit keinen Glauben schenkten. Und trotzdem leben wir in dieser Hoffnung, wenn wir Jahr für Jahr die biblischen Texte der Adventzeit lesen. Sie erzählen uns von dieser Neuordnung. Wo der Wolf beim Lamm Schutz findet. Der Panther beim Böcklein liegt und Kalb und Löwe zusammen weiden. (Jes 11,5.6) Sie erzählen von der Hoffnung, die mit der Geburt des Kindes in der Krippe verbunden ist. Und mit der Heilsgeschichte, die Gott in unserer unheilvollen Welt immer wieder mit uns schreiben möchte.
Die Dunkelheit der Lichterketten in dieser Adventzeit steht für mich sinnbildlich dafür, wie klein diese messianische Hoffnung auf eine friedliche und vollendete Welt gerade in unseren Tagen geworden ist. Und trotzdem! Solange auch nur eine einzige Kerze brennt ist da ein Licht, das die Dunkelheit erhellt. So lange nur eine einzige Kerze brennt, lebt die Hoffnung, von der Jesaja und Johannes erzählen und von der wir glauben dürfen, dass sie nahe ist.
Wir müssen uns nur wagen, aus unserer Komfortzone zu treten.