Echte Mannsbilder

Leserbriefe / 24.02.2023 • 17:38 Uhr

Frau Stainer-Hämmerle bemüht in ihrem Kommentar das Narrativ testosterongesteuerter „Mannsbilder“, wenn sie den Besuch des US-Präsidenten Biden in der Ukraine nennt. Ihre Kritik an inszenierter Politik ist zwar prinzipiell richtig. Politik wird immer mehr zu einer dramaturgischen Aufführung. Arrangierte Bilder schaffen Ersatz für Inhalte und bringen die notwendige Wahrnehmung in der Öffentlichkeit; egal, ob es sich dabei um Pressekonferenzen auf einem Bauernhof handelt, zum exklusiven „Kamingespräch“ geladen wird oder in einem Kindergarten stattfinden. Auch die Auftritte von Biden und Selenskyj schaffen Bilder. Der Vorwurf, dies sei „Ausdruck eines archaischen Politikverständnisses“ und die „Wiederbelebung traditioneller Männerbilder“ blendet die dramatische Situation der Ukraine völlig aus. Ein Land, das seit einem Jahr von Putin zerbombt wird, in dem ein normales Leben denkunmöglich geworden ist, Millionen auf der Flucht sind, in dem Kriegsverbrechen stattfinden, in einem solchen Land ist jedes Bild, das den Menschen Hoffnung gibt, mehr als berechtigt. Bidens Auftritt ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Die Bilder der durch Kiew gehenden beiden Präsidenten sollen in erster Linie den schwer getroffenen Menschen in der Ukraine Mut machen. Der moralische Zeigefinger vom bequemen österreichischen Sofa aus ist daher zurückzuweisen. Wer die Inszenierung von Politik kritisieren will, findet tagtäglich in Österreich genügend ansehnliche Beispiele.

Hanno Schuster, Höchst