Zukunftsrede ohne Zukunft
„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ – Dieses Zitat des deutschen Altbundeskanzlers Helmut Schmidt scheint sich Bundeskanzler Karl Nehammer als Maßstab für seine Zukunftsrede „Österreich 2030“ gewählt zu haben, anders lässt sich die biedere Visionslosigkeit der vorgetragenen Rede kaum erklären. Auch das Setting der Veranstaltung war durchaus bemerkenswert: Die ÖVP blieb wie bei einem Selbsthilfe-Gruppen-Treffen unter sich (nicht einmal Vertreter des innerhalb der Rede mehrfach düpierten grünen Koalitionspartners waren anwesend) und zelebrierte das Event auf geradezu kultische Art, wie man es sonst wohl nur bei einem Treffen der Scientology-Sekte zu sehen bekommt. Der Inhalt der Rede bot einen neu aufgelegten Remix von ÖVP-Evergreens, der jedoch einen fortschrittlichen Blick in die Zukunft vermissen ließ. Zudem könnte eine kritische Stimme aus dem Hintergrund anmerken, dass die ÖVP mittlerweile geschlagene 36 (in Worten sechsunddreißig!) Jahre ununterbrochen an den Regierungshebeln sitzt, was durchaus eine Zeitspanne darstellt, in der man die eine oder andere vollmundig in der Rede postulierte Ankündigung bereits umsetzen hätte können. Aber zum Glück kümmert sich der Bundeskanzler um die wirklichen Probleme der Menschen und will dem Gendern in Universitätsarbeiten den Kampf ansagen – um ein Bonmot von Karl Nehammer selbst etwas abzuwandeln: „Diese Rede war nur mit reichlich Alkohol oder Psychopharmaka zu ertragen.“
Niklas Klocker, Dornbirn
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