Wolfspropaganda

Leserbriefe / 08.09.2023 • 19:58 Uhr
ap

Zum VN-Bericht vom 8. September:

Die Einteilung von realweltlichen Phänomenen in nützlich und schädlich ist ein besonderes Merkmal von Menschen. Dort das heilige, zweckdienliche Nutztier, da der verfluchte Schadwolf. Als anthropogen produzierte und kontrollierbare Ressource wird das kultivierte Tier als emotionales Druckmittel eingesetzt, um so auf einen schwelenden „Kulturkampf“ hinzuweisen. Der unkontrollierbare Wolf entzieht sich dieser Debatte zwischen Menschen und weiß nichts von dem unbändigen Hass seiner Gegner. In ganz Österreich haben es Menschen geschafft, ein derart negatives Bild einer Tierart zu zeichnen, das seit dem Mittelalter nichts von seinem Mythos des „Bösen“ verloren, aber nur sehr wenig mit dem echten Wolf zu tun hat. Innerhalb mancher Gruppierungen hat sich das inzwischen zu einer kollektiven Psychose ausgewachsen, die den klaren Blick verstellt und einen argumentativ-sachlichen Diskurs verunmöglicht. Die Bilder, die hier vom Wolf entworfen werden, verraten viel über den Anspruch auf Macht und Herrschaft in Verbindung mit dem (Heils-)Versprechen auf System­erhalt durch die Landesherren. Strukturelle Parallelen dazu finden sich in unterschiedlicher Ausprägung auch in Auseinandersetzungen mit Pandemien oder Klimaaktivismus. Die Politik scheint hier am Ende ihrer Kritikfähigkeit und schwingt den derben Stock. Ob das die Lösung für die Zukunft ist, müssen Wähler:innen offenbar demnächst selbst entscheiden. Der Eigendefinition sapiens wird es jedenfalls nicht gerecht.

Ulrike Schmid, MA, Götzis