Und dann, am Schluss?

Eine spannende Erzählung. Morgen hören wir in den Kirchen die Geschichte von einem reichen Mann, der auf Reisen ging und vorher sein Vermögen auf drei Angestellte aufteilt mit dem Auftrag, damit zu wirtschaften. Die Talente, die sie bekommen, fünf, zwei und eines, waren riesige Geldsummen. Nach langer Zeit kehrte der Chef zurück und verlangte einen Rechenschaftsbericht. Zwei von den Dreien hatten gut gewirtschaftet und brachten doppelt so viel zurück wie sie erhalten hatten. Nur der Dritte wurde getadelt, weil er aus Angst sein Darlehen vergraben hatte. So ähnlich wie in diesem Gleichnis spielt sich unser Leben ab. Gott gab uns allen verschiedene „Talente“ in einem anderen Sinn, damit wir sie im Leben vermehren. Und einmal wird es eine Abrechnung geben.
Zahlen für das, was wir bekommen haben. Wenn es irgendwann mit uns zu Ende geht, können wir nur wie im Gasthaus rufen: „Herr Ober, bitte zahlen für alles, was wir konsumiert haben!“
Das ist sehr viel: die Luft, das Wasser, den Sonnenschein, die Winterlandschaft, die Krokusse und die Herbstastern, die blühenden Bäume und die farbigen Blätter, das Obst und Gemüse. Den Blick auf die Sterne und das feine Bett, die Zuwendung und das gute Miteinander, die Vergebung und die Hilfe von anderen, das Lachen der Kinder und auch das Weinen-Können, und, und … Wir können es gar nicht aufzählen. Im Vergleich zu Menschen in anderen Ländern, vor allem in den Kriegsgebieten, geht es uns doch in allem sehr, sehr gut.
Nun, am Ende unserer Erdentage wird es Zeit, dass wir aufbrechen. „Zahlen, bitte!“ Aber wir haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der sagt: „Ich habe euch eingeladen“, und lacht, so weit die Erde reicht. „Es war mir ein Vergnügen, euch zu beschenken!“
Zahlen für das, was wir schuldig geblieben sind. Ach, das wird sehr viel sein. Der hl. Paulus schreibt: Bleibt niemandem etwas schuldig, außer der gegenseitigen Liebe! (Röm 13,8). Daran mangelt es doch immer wieder im Laufe eines Lebens. Gar nicht zu reden von dem, was bei uns schief gelaufen ist, was mangelhaft und lieblos in unserem Leben gewesen ist – im Denken und Reden über andere; was wir „Gutes unterlassen und Böses getan haben“. Das Defizit, das was auf der Soll-Seite steht, ist gewaltig! Da schaut die Bilanz nicht gut aus.
Meine große Hoffnung ist, dass Gott die vielen Mängel in seinem Erbarmen auffüllt. Mich tröstet ein Wort von Martin Luther. Es beschäftigte ihn die Frage: „Wie krieg ich einen gnädigen Gott?“ Er klagte immer wieder über sein Versagen, seine Fehler und suchte nach Vergebung. So schrieb er das tröstliche Wort: „Wie Judas an den Baum hängen, das tue ich nicht. Ich häng mich an den Fuß Christi, wie die Sünderin, ich halte mich am Herrn fest. Dann spricht er zum Vater: Dieses Anhängsel – also Martin Luther – muss auch durch. Er hat nichts gehalten und die Gebote übertreten, aber er hängt sich nun mal an mich. Ich starb für ihn, lass ihn durchschlupfen!“ Als solches Anhängsel von Jesus dürfen wir uns auch sehen, und wir hoffen, dass wir auf diese Weise doch einmal zu Gott gelangen. Wir können und müssen nicht den Himmel verdienen, der wird uns geschenkt. Aus Gnade sind wir gerettet, schreibt der hl. Paulus. (Eph 2,5)
Am Schluss kommt keine Abrechnung, sondern ein endgültiges Ja. Natürlich haben wir viele offene Fragen. Wir dürfen auch mit Jesus am Kreuz rufen: „Mein Gott, warum …?“ Wenn es uns dennoch gelänge, wie Jesus am Ende zu sagen: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist, mein Leben mit allem, was es gewesen ist. Das Gute, das ich zustande gebracht habe, ist eigentlich gering, die Fehler wiegen mehr. Dennoch vertraue ich auf deine erlösende Liebe!“ Ich bin zuversichtlich: Am Ende steht keine Antwort, sondern eine Umarmung. Die wiegt mehr als alle Erklärungen.
Am Ende der Parabel von den Talenten sagt der Herr zu den ersten beiden seiner Diener: „Sehr gut, du bist tüchtig und treu gewesen. Komm, nimm teil am Freudenfest deines Herrn!“ Wir können nur hoffen, dass Gott das auch einmal zu uns spricht.
