Milliarden versus Neutralität
„Fast Milliardenhilfe“ leisten die nordischen Staaten, bevölkerungsmäßig allesamt kleiner als Österreich, an militärischer und humanitärer Unterstützung an die Ukraine (VN 14. 12.). Dazu stößt mir die Debatte über österreichische Entminungshilfe im zivilen Bereich und weit hinter der Frontlinie auf, bei der die Riege aus Kanzler, Verteidigungsministerin und Außenminister reflexartig den Neutralitätsriegel vorschoben. Dabei war der Vorschlag vom höchstrangigen Neutralitätsverteidiger, dem Bundespräsidenten, ausgegangen. Er bekam Schützenhilfe von mehreren Verfassungsrechtlern, die im Rechtskonstrukt einer österreichischen Eigenbau-Neutralität stets uneins sind. Wir bewegen uns bei allen Formen der Ukrainehilfe am untersten Rand der als Worthülse beschworenen „uneingeschränkten Solidarität“ (Schallenberg). Während man weiterhin Neutralitätsillusionen im Volk bestärkt, braucht man gleichzeitig dessen zumindest innere mehrheitliche Zustimmung zu wichtigen länderüberreifenden Sicherheitsschritten wie „Sky Shield“. Dieser Schlingerkurs kann ins Auge gehen: Die Menschen glauben gerne an das Insel-der-Seligen-Märchen, das uns von unangenehmen Verpflichtungen befreit. Moderne Kriege zeitigen Aggressionen in vielfältigem und unkonventionellem Gewand. Möge nie der Tag kommen, an dem wir – verteidigungsmäßig nackt und hilflos – Unterstützung brauchen und unsere Partner uns sagen: Wir würden euch ja so gerne helfen, ihr Lieben, aber ihr seid doch neutral!
Gerald Grahammer,
Lustenau