Eine ganz gewöhnliche Familie?

Am Sonntag nach Weihnachten gedenkt die Kirche der Heiligen Familie. Mir fallen dann sofort Darstellungen ein, wie ich sie in alten Religionsbüchern gesehen habe: Maria, Josef und das Jesuskind in Eintracht beisammen in Rosa, Himmelblau und anderen Pastellfarben. Und unwillkürlich steigt in mir der Verdacht auf, dass eine solche Familie unseren Familien heute nicht viel sagen kann.
Ein realistisches Bild
Doch entspricht diese Darstellung der Realität? Kommt sie nicht eher aus einem Wunschdenken, so wie man sich eben eine heile und ideale Familie vorstellt? Wenn ich in der Bibel blättere, so finde ich keinerlei Anhaltspunkte für dieses Bild. Im Gegenteil! Der Heiligen Familie bleiben nur wenige Herausforderungen, Konflikte und Leiden erspart, wie sie Familien zu jeder Zeit, aber vielleicht heute ganz besonders treffen können: Missverständnisse schon vor der Heirat, Flucht und Migration, düstere Voraussagen für die Zukunft und schmerzvolle Suche der Eltern nach dem anscheinend verloren gegangenen Sohn. Wer kann da nicht etwas aus seiner eigenen Lebenserfahrung wiederentdecken? Das mag für viele tröstlich sein.
Ich möchte nun drei Gedanken herausgreifen, die mich bei dieser Frage beschäftigen:
Schicksalsschläge
Viele Menschen haben nach einem Schicksalsschlag den Eindruck, als hätte Gott sie verlassen. Unwillkürlich denken sie, dass Gott weit weg sei und nicht mehr auf sie schaue. Das hätten auch Josef und Maria in so manchen Situationen denken können. Und doch wissen wir, dass Gottes Liebe bei ihnen war, ihnen aber nicht Herausforderungen und Leiden ersparte. Er geleitete sie durch Höhen und Tiefen und sorgte trotz allem dafür, dass ihr Leben zum großen Geschenk für die ganze Welt wurde!
Sorgen
Alle Eltern wünschen sich für ihre Kinder ein glückliches und erfolgreiches Leben. Und natürlich geraten sie in Sorge, wenn sich dann bisweilen düstere Prognosen am Horizont abzeichnen. Man fühlt sich so ausgeliefert und kann es doch oft gar nicht ändern! Sicher ist es auch Maria so gegangen, als sie im heutigen Evangelium erfuhr, dass auch ihre Seele von einem Schwert durchbohrt werden würde. Wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre, hätte ich vermutlich überhört, dass Simeon im gleichen Atemzug sagt, der Sohn würde ein Licht sein zur Erleuchtung vieler Menschen, vor allem aber für sein Volk Israel. Leiden und Fruchtbarkeit schließen einander nicht aus, sondern gehören im Leben meist zusammen. Sie sind wie zwei Seiten einer einzigen Medaille.
Miteinander reden
Zu den schmerzlichsten Erlebnissen dieser Heiligen Familie gehörte es wohl, dass sie nach der Erzählung der Bibel ihren zwölfjährigen Sohn drei Tage lang suchen mussten. Wie wäre es meinen Eltern vergangen, wenn ich drei Tage lang verschwunden wäre? Ich glaube, sie hätten total durchgedreht! Vermutlich ist es Josef und Maria ähnlich ergangen. Und dann die seltsame und für sie unverständliche Begründung des heranwachsenden Jesus: „Wusstet ihr denn nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ Ich staune, dass Maria es in einer solchen Situation fertigbrachte, ihrem Sohn ruhig die Frage zu stellen: „Kind, warum hast du uns das angetan? Dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht.“ Ich glaube, meine Mutter hätte das nicht geschafft! So nehme ich aus dieser Szene mit, dass es trotz aller Aufregungen immer wichtig ist, das ruhige Gespräch zu suchen, sobald es möglich ist, und mit einer aufrichtigen Frage, nicht mit Schuldzuweisungen oder einer Behauptung zu beginnen. Wahrscheinlich ließe sich vieles auf diese Weise entschärfen oder sogar bereinigen!
So zeigt mir der heutige Sonntag kein unerreichbares und entmutigendes Ideal, sondern er gibt mir konkrete Anregungen und Hilfen, wie Familien in schwierigen Situationen gut reagieren können!
