In welcher Welt leben wir eigentlich?

Leserbriefe / 10.01.2024 • 17:47 Uhr

Zum Bericht „Menschen von nebenan: Und er wird es wieder tun“,
VN vom 9. 1. 2024:

Komplimente und herzlichsten Dank an Heidi Rinke-Jarosch für ihr spannendes Interview mit dem Anwalt Anton Schäfer, das uns wie ein Epiphanias-Wort leuchtet (epiphanes, gr. = sichtbar)! „Wo kämen wir denn hin, wenn hier jeder einfach gratis helfen würde?“ In eine Art Hartz IV-Kategorie vielleicht?! In eine etwas menschlichere Welt ganz sicher! Die ständig zitierten, gepredigten menschlichen und zu selten respektierten Werte fänden endlich eine sichtbare Verwirklichung. Wir sollen einerseits unentwegt für entfernte Menschen in Not spenden und ein Anwalt andererseits spendet nahen Nachbarn in Not seine Hilfe, weil er wahrscheinlich nicht ertragen kann, dass sich arme Menschen juristischen Beistand nicht leisten können . . ., und dieser ehrenvolle Anwalt wird der „Berufspflichtverletzung“ bezichtigt? Wo wohnt die Logik? Wird etwa ein Arzt, der arme Patienten umsonst pflegt, von der Ärztekammer der Berufspflichtverletzung auch bezichtigt? In welcher Welt leben wir eigentlich, wo selbstlose Hilfeleistungen gebrandmarkt werden, wo Honorare mehr wert sind als Güte?

Marie-Thérèse Mercanton, Bludenz