Eskalieren

Leserbriefe / 13.03.2024 • 18:31 Uhr

„Die Russen sind entschlossen, die Ukraine einzuverleiben . . . Es ist keineswegs vermessen zu sagen, dass eine der großen weltpolitischen Entscheidungen in der Ukraine fallen wird.“ Dies schrieb Otto Habsburg in seinem VN-Artikel vom 2. 5. 1994. Damals war Jelzin am Ruder, und Putin wühlte in St. Petersburg im Sumpf von KGB und Mafia. Die Ankündigung einer Rückeroberung ehemaliger sowjetischer Gebiete lieferte er nach Amtsantritt 2000. Heute ist die Ukraine am Verbluten, weil man ihr die weitreichenden und durchschlagenden Waffen (Taurus) vorenthält. Der Westen will nicht „eskalieren“. Wie hat sich denn Putin für unsere „noble“ Zurückhaltung revanchiert? Durch etwas weniger brutale völkerrechtswidrige Bombardierungen, durch Abrücken vom Gesamteroberungsplan? Begnügt er sich damit, ein paar Monate lang nicht mit dem Weltuntergang zu drohen?

Der Westen hat sich schwer mitschuldig gemacht an Putins Fehlkalkulation, wie einst an Hitlers Rechenfehler. Wir haben ihm alle irreführenden Zutaten geliefert: grenzenlose Naivität, fahrlässiges Abrüsten, Geschäftemachen auf Kosten der Sicherheit, Uneinigkeit und viel zu lasche Reaktionen bei den vorausgegangenen Eroberungen in Georgien und der Krim. Die einzige westliche „Bedrohung“ ist die Verlockung von Freiheit und Menschenrechten, NATO-Raketen stehen unverantwortlicherweise bis heute keine in Grenznähe. Wir haben noch eine kurze Zeitspanne für die Ukraine und folglich für uns selbst.

Gerald Grahammer, Lustenau