Zweifelhafte Interpretation
Zum Leserbrief von Jörg Frey, VN vom 18. 4.:
Mit erstaunlicher Unverfrorenheit versucht Dr. Jörg Frey den Lesern weiszumachen, dass es sich bei der „siebten Million“ in einem Liedtext aus einem katholischen Liederbuch von 1933 um eine Ergänzung aus dem Jahr 1952 handelt und auf Reparationszahlungen nach dem Zweiten Weltkrieg verweist. Diese Interpretation ist nicht nur unwahrscheinlich, sondern auch leicht widerlegbar. Der Liedtext wurde bereits 1925 veröffentlicht, also lange vor Ende des Zweiten Weltkriegs und den damit verbundenen Reparationszahlungen. Zudem gibt es keinen Hinweis darauf, dass der Text jemals verändert wurde (eine Umdeutung in FPÖ-Kreisen ist allerdings nicht auszuschließen). Vielmehr deutet alles darauf hin, dass die „siebte Million“ eine metaphorische Bezeichnung für eine große Menge an (jüdischen) Menschen ist, von denen sechs Millionen während des NS-Regimes umgebracht wurden. Freys Versuch, den Liedtext politisch zu instrumentalisieren, ist nicht nur unredlich, sondern auch gefährlich. Solche Interpretationen führen zu Hass und Ausgrenzung, indem sie bestehende Vorurteile, Ängste und Ressentiments schüren. Ein Spiel, das die FPÖ nur zu gerne betreibt …
Herlinde Nachbaur-Zeiss, Meiningen