Dürfen Frauen sympathisch sein?

Leserbriefe / 16.12.2024 • 19:53 Uhr

In einem Artikel über eine Frauengruppe („Xipertinnen“ vom 26. 11.) beschreibt ein Redakteur seine Gesprächspartnerin als „sympathische Frau“ Ja, darf er denn das? Journalisten haben sich doch weitgehend der politischen Korrektheit verpflichtet. Dass die besagte Dame in einer Bildunterschrift gar noch als „attraktiv“ bezeichnet wird, setzt dem Fass die Krone auf. Wenn ich mich nicht schwer täusche, dürfen Frauen von Männern heute öffentlich in keiner Weise mehr nach subjektiven Gefühlen, schon gar nicht nach Äußerlichkeiten beurteilt werden. Das ist sexistisch oder zumindest „sexistoid“, das heißt, es geht diese Richtung (eigene Wortschöpfung, analog zu „faschistoid“). Das wird auch dann nicht mehr toleriert, wenn es sich um wohl gemeinte Äußerungen handelt. Ein Redakteur sollte wissen: Solche Komplimente und viele Formen klassischer Höflichkeit sind verdächtig geworden! Selbstverständlich kennt auch die traditionelle Höflichkeit Unschicklichkeiten, immer abhängig vom Rahmen der Äußerung. „Sympathisch“ wäre wohl durchgegangen, „attraktiv“ nicht, weil es zu intim klingt. Die politische Korrektheit verzeiht den Männern jedoch keinerlei geschlechtstypischen Begeisterungsausbrüche mehr. Konsequenterweise müsste sie es dann auch unkorrekten Frauen abgewöhnen, sich geschmeichelt zu fühlen. Ein bisschen hartherzig, finde ich, aber passend zur heutigen Polarisierung.

Gerald Grahammer, Lustenau