Täter-Opfer-Umkehrung
Auf der Skala der reichsten Länder der Welt, steht Österreich auf Nummer 14. Dennoch stellen Rechtspopulisten uns „arme“ Österreicher als Opfer von Flüchtlingen, der EU, anderer Religionen und neuerdings auch von Menschen mit Behinderungen (Kürzungen Betreuungsgelder) dar. Sündenböcke, wie vor 85 Jahren mit jüdischen Menschen geschehen, sollen von den eigentlichen Problemen wie ungerechte Vermögensverteilung und Lohnverhältnisse ablenken. Tragisch ist nicht zuerst ethisch fragwürdiges Verhalten und die Unterstützung von menschenverachtenden Diktaturen, sondern die Verweigerung oder das Unvermögen, reflektiert denken zu können. Hannah Arendt hat dies im Eichmann-Prozess als die „Banalität des Bösen“ bezeichnet. Auch Österreich hat sich an den 400 Jahren Kolonialgeschichte mit 40 Millionen versklavten Menschen beteiligt und bereichert (bis heute ohne Kompensationszahlungen). Und immer noch konsumieren wir verschiedene Produkte, in denen Kinderarbeit und Ausbeutung stecken. Zudem begünstigte unser Konsum von Öl und Gas jahrzehntelang Kriege und tut es immer noch. Doch weiterhin frönen wir unserem Individualverkehr, dem Straßenbau (S18 und Tunnelspinne) und Flugreisen. Wir sind alles andere als bemitleidenswürdige Opfer, wir sind Öster-arm und ge-Danken-loser geworden, an Solidarität, Mitmenschlichkeit und global-ökologischer Verantwortung.
Jürgen Mathis, Hohenems