Leserbrief: Erinnerungskultur gescheitert?

Leserbriefe / 18.03.2025 • 15:50 Uhr

Der Psychologe und Autor Ahmad Mansour, Palästinensisch-Israelischer Araber, Arik Brauer-Preisträger, sprach über Antisemitismus und Antizionismus nach dem 7.Oktober. Dazu einige Kernaussagen: Der Grund für den Krieg im Nahen Osten ist, dass die Palästinenser Israel vernichten möchten. Antisemitismus in Europa ist uralt. Es gibt den rechtsextremen Antisemitismus, den Antisemitismus der linken und muslimischen Szene, von Verschwörungstheoretikern und, offen oder versteckt, im gesellschaftlichen Mainstream. Das reiche von antisemitisch gemeinter Israel-Kritik bis zur Verweigerung von Empathie für Juden in Europa. Der linke Antisemitismus ist tiefgreifend. Er versucht Antikolonialismus mit Antisemitismus gleichzusetzen. Wenn Europas Kolonialgeschichte als Europas Ursünde gilt und nicht mehr der Holokaust, wenn Antisemitismus und Antirassismus gleichgesetzt werden, wird unsere Erinnerungskultur angegriffen. Wenn die Identitätspolitik marginalisierte Gruppen und Palästinenser einerseits als Opfer und alte, weiße Männer und Juden als Unterdrücker gleichsetzt, schürt das den Antisemitismus. Unsere Erinnerungskultur ist gescheitert, weil sie auf tote Juden schaut und die lebenden ausklammert. Was den muslimischen Israelhass angeht, ist wichtig, dass dieser vielfach seit der Kindheit anerzogen wurde. Flüchtlingen muss gesagt werden, dass Antisemitismus jeglicher Form bei uns nichts zu suchen hat. Religionsfreiheit ja, aber wo Religion als Rechtfertigung für Judenhass dient, keine Toleranz. Politische Bildung muss heute unbedingt auch in den sozialen Medien stattfinden.

Dr. Wolfgang Hämmerle, Lustenau