Leserbrief: Rosenkranz in der einen Hand, Weltlage in der anderen

Ein neuer Blick auf ein altes Gremium. Das Kardinalskollegium – lange klang das nach frommer Würde, geistlicher Autorität und innerkirchlicher Ordnung. Man sah förmlich die älteren Herren vor sich: in liturgischen Gewändern, mit dicken Gebetsbüchern und langen Rosenkränzen, fest verwurzelt im Gebet – würdevoll, aber fern der Weltpolitik. Doch dieses Bild hat sich gewandelt. Mit der Wahl von Papst Leo XIV., einem US-Amerikaner, wird klar: In Rom denkt man nicht nur über Dogmen nach, sondern über globale Zusammenhänge. In einer Zeit, in der internationale Bündnisse wanken, westliche Werte ins Rutschen geraten und politische Führungsfiguren irritieren, sendet das Kardinalskollegium ein feines, aber deutliches Signal – auch in Richtung Washington. Der neue Papst bringt geistliche Autorität und moralisches Gewicht mit – und womöglich auch Klarheit in Debatten, die vom Taktieren geprägt sind. War das göttliche Fügung oder strategisches Kalkül? Man wird es kaum je wissen. Doch eines steht fest: Geistliche Verantwortung und weltpolitischer Weitblick schließen einander nicht aus. In unruhigen Zeiten ist das genau das, was die Welt braucht: eine Denkwerkstatt im Talar.
Hans Mohr, Dornbirn