Leserbrief: Bei wem sind alle Sicherungen durchgebrannt?

Leserbriefe / 23.05.2025 • 15:00 Uhr
FILES-SPAIN-ANIMAL-ENVIRONMENT-AGRICULTURE-HUNTING
AFP

Zum Bericht “Alle Sicherungen durchgebrannt”, VN vom 22.5.2025:

Die Auseinandersetzungen um den Wolf sind keine Frage der Ideologie, sondern der persönlichen Wertehaltung und empathischen Ausrichtung. Was ist wichtiger, die Ausdehnung des weltweit größten Lebensraumes für ein Großraubtier um weitere 5 %, hinein in heute dicht besiedelte und bewirtschaftete Gebiete, oder der Fortbestand einer gesunden Almwirtschaft? Die Tötungsfreiheit für das sich am raschesten vermehrende Raubtier oder die Verzweiflung unserer Hirten? Was berührt mehr, die schönen Bilder vom einsam heulenden Wolf oder jene von verletzten Lämmern, die noch an den Eutern ihrer getöteten Mütter nuckeln? Das muss jeder, ob Experte oder nicht, für sich selbst entscheiden. Persönlich habe ich mich nach vielen Gesprächen mit betroffenen Schäfern und Älplern vor Ort sowie mehreren psychotherapeutischen Behandlungen von Traumatisierten klar festgelegt. Es mutet aber eigentümlich an, wenn ein eigentlich für das Wohl der Haus- und Nutztiere zuständiger Amtstierarzt weltfremde Vergleiche zwischen Schutzmöglichkeiten für einen Hühnerstall im Tal und weit verstreutem Almvieh im Hochgebirge anstellt. Durch Verschanzung hinter unmöglich erfüllbaren Gesetzesvorschriften wird da eine klassische Täter-Opfer-Umkehr betrieben. Dass aber jene, welche die Sorgen der ohnehin schwer belasteten Bergbauernschaft ernst nehmen und deren Nöte nicht durch Verweis auf andere Grausamkeiten abtun, gar pathologisiert werden, ist entschieden zurückzuweisen.

Dr. Reinhard Haller, Feldkirch