Leserbrief: Das Recht, keine Meinung zu haben

Leserbriefe / 03.06.2025 • 10:56 Uhr
Leserbrief: Das Recht, keine Meinung zu haben

In letzter Zeit beobachte ich einen zunehmenden Druck in unserer Gesellschaft: Man muss zu allem eine Meinung haben – am besten sofort und klar. Wer sich zurückhält, wird schnell als ignorant, feige oder gar feindlich abgestempelt. Aber ist das wirklich fair? Ich kenne viele Menschen, die sich erst informieren möchten, bevor sie urteilen. Oder die angesichts der Flut an Themen und Meinungen einfach überfordert sind. Und ich finde, das darf sein. Es braucht auch das Recht, keine Meinung zu haben – zumindest nicht sofort. Mir scheint, das Motto “Bist du nicht mein Freund, bist du mein Feind” hat in vielen Diskussionen Einzug gehalten. Es gibt nur noch Schwarz oder Weiß – dazwischen ist kaum Platz. Doch gerade in einer Demokratie braucht es Raum für Nachdenken, für Zwischentöne, für Unsicherheit. Das hat nichts mit Gleichgültigkeit zu tun, sondern mit Verantwortungsbewusstsein. Wer sich zurückhält, weil er sich (noch) nicht auskennt, handelt oft klüger als jemand, der schnell urteilt – und laut. Wir brauchen wieder mehr Respekt für das Innehalten. Wer das Recht hat, eine Meinung zu äußern, sollte auch das Recht haben, keine zu haben.

Ing. René Ch. Zumtobel, Dornbirn