Leserbrief: Menschenskind, wo bleibt die Würde?

Zum Leserbrief “Wenn Sparen wichtiger als der Mensch ist” von David Seeberger, VN vom 23.6.2025:
Der aufrüttelnde Leserbrief, den die Mutter des mehrfach beeinträchtigten David Seeberger aus Bludenz stellvertretend für ihren Sohn geschrieben hat, schreit direkt zum Himmel. Ob solche Hilferufe, wie auch in früheren Leserbriefen, in die höheren Etagen der Politik gelangen, ist äußerst fraglich. Wenn schon Integration in unserer Gesellschaft ein so massives Problem darstellt, dann kann von Inklusion keine Rede mehr sein. Die Menschenwürde beeinträchtigter Mitmenschen, die vermehrt auf unsere Hilfe angewiesen sind, einfach zu ignorieren, ist menschenverachtend. Dass der Sparstift auf vielen Ebenen angesetzt werden muss, ist tatsächlich ein Muss. Weshalb gerade bei jenen Menschen, die unserer Loyalität am meisten bedürfen?
Immanuel Kant hat im 18. Jahrhundert den Spruch geprägt: “Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.”
Heute haben wir eine hochtechnisierte Gesellschaft. In unserem Teil von Europa können wir, die nicht Beeinträchtigten, uns vieles leisten. Doch können wir es uns wirklich leisten, die Empathie gegenüber den Schwächeren in unserer Gesellschaft nur noch als Wort und nicht mehr als wirkliches Einfühlungsvermögen gelten zu lassen? Wer von uns denkt schon darüber nach, dass auch wir, die derzeit noch nicht Behinderten, in der nächsten Sekunde beeinträchtigt werden könnten?
Anni Mathes, Bludesch