1000 Kleinkinder bangen

Vorarlberg / 15.05.2018 • 19:13 Uhr
Der oberste „Zottelbär, Markus Herburger, lässt es sich nicht nehmen, auch selbst aktiv in der Waldspielgruppe mitzuarbeiten. zottelbär
Der oberste „Zottelbär, Markus Herburger, lässt es sich nicht nehmen, auch selbst aktiv in der Waldspielgruppe mitzuarbeiten. zottelbär

55 Spielgruppen kämpfen ums finanzielle Überleben. Warten auf neue Förderrichtlinien.

Feldkirch Spielgruppen gelten als Wurzeln der Kleinkindbetreuung. Nun ist zu befürchten, dass diesen Wurzeln buchstäblich das Wasser abgegraben wird. Grund sind die geringen Beiträge des Landes und der Gemeinden. Sie stellen viele Spielgruppen vor Existenzprobleme, und das, obwohl bereits 2016 gemeinsam neue Richtlinien erarbeitet wurden, die Zuschüsse zu den Personalkosten in Höhe von 40 Prozent vorsehen. Das Modell sollte 2018 in Kraft treten, doch daraus wurde bislang nichts. Im Gegenteil. Auf Nachfrage, wie es mit den Förderungen denn nun weitergehe, erhielt Markus Herburger, Obmann der Spielgruppe „Zottelbär“ in Feldkirch, nicht einmal eine klare Antwort. „Dabei wäre das ein wichtiger Schritt und würde den privaten Einrichtungen wieder Motivation geben“, meint er. Alles andere macht Planungen schwierig. Diese Unsicherheit zeitigt bereits Folgen.

Schluss für Bingser Zwergle

Für die Bingser Zwergle etwa ist demnächst Schluss. Nicole Dobler hatte die Spielgruppe 2011 gegründet. Drei Mitarbeiterinnen betreuen neun Kleinkinder. Sie bedauert, diesen Schritt setzen zu müssen. „Aber es geht sich finanziell nicht mehr aus“, sagt Dobler. Markus Herburger will mit dem „Zottelbär“ noch ein Jahr durchhalten in der Hoffnung, dass sich die Sache mit der Landesförderung doch zum Guten wendet, und weil er von der Stadt die Zusage für eine kleine Aufstockung des bisherigen Zuschusses bekommen hat. Das Land würde die Sicherung der 55 Spielgruppen, in denen 175 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über 1000 Kleinkinder in ihrer Obhut haben, jährlich gerade einmal 480.000 Euro zusätzlich kosten. Derzeit beträgt die Standortförderung, mit der vor allem die gestiegenen Lohnkosten abgedeckt werden, zwischen 15 und 20 Prozent. Kleinkindbetreuungseinrichtungen hingegen erhalten vom Land 60 Prozent der Personalkosten ersetzt, Gemeinden fördern unterschiedlich. Noch weiter an den Elternbeiträgen zu drehen, wird als schwierig bezeichnet. „Die sind mit durchschnittlich 80 Euro monatlich ohnehin schon relativ hoch“, räumt Bea Madlener-Tonetti, Obfrau des Landesverbandes für selbstorganisierte Spiel- und Kindergruppen, ein.

Verlust an Wahlfreiheit

Doch nicht nur deshalb gelte es, die Schließung von Spielgruppen zu verhindern. „Zum einen werden gerade jetzt viele Kinderbetreuungsplätze benötigt. Zum anderen würden in den Betreuungseinrichtungen nach dem Wegfall der Spielgruppen vermutlich fast nur noch Kinder von berufstätigen Eltern berücksichtigt“, beschreibt Madlener-Tonetti die Problematik mangelnder Vielfalt. „Kinder, die einfach der sozialen Kontakte wegen eine Spielgruppe besuchen, fallen dann komplett durch den Rost“, befürchtet sie. Es brauche aber gleiche Chancen für alle Mütter. Außerdem ginge ihrer Meinung nach ein großes Stück an Wahlfreiheit verloren. Es gebe genug Eltern, die nicht das volle Betreuungsprogramm für ihre Kinder bräuchten.

Besserer Übergang

Markus Herburger arbeitet selbst einen Tag in der Woche im „Zottelbär“ mit. Der Steuerberater absolvierte dafür extra eine Spielgruppen- und Waldpädagogenausbildung. „In Spielgruppen kann noch Individualität gelebt werden“, verweist er auf den guten Betreuungsschlüssel. Spielgruppen würden zudem einen langsamen Einstieg in die Fremdbetreuung ermöglichen. „Das kommt auch Müttern zugute, die sich mit Loslassen schwertun“, merkt Herburger an. Von Kindergartenpädagoginnen bekommt er immer wieder zu hören, wonach der Übergang in den Kindergarten bei Spielgruppenkindern besser funktioniert, weil diese in ihrem Selbstbewusstsein schon sehr gefestigt seien. „Die Betreuungsqualität stimmt in den Spielgruppen ebenfalls“, betonen Madlener-Tonetti und Herburger noch. Einhellige Einschätzung: „Spielgruppen würden massiv fehlen.“

„Es gibt genug Eltern, die nicht das volle Betreuungsprogramm für ihre Kinder brauchen.“

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