Krank und trotzdem erreichbar

Markt / 17.02.2014 • 20:52 Uhr
Laut dem Obersten Gerichtshof muss ein Angestellter auch im Krankenstand erreichbar sein.  
Laut dem Obersten Gerichtshof muss ein Angestellter auch im Krankenstand erreichbar sein.  

OGH-Urteil: Angestellte müssen Chef auch im Krankenstand zur Verfügung stehen.

wien, feldkirch. (VN-reh, apa) Wenn man krank ist, sollte man sich erholen. Nicht aber, wenn der Chef wichtige Infos braucht. Denn wer sich im Krankenstand befindet, muss seinem Arbeitgeber in bestimmten Fällen für Auskünfte zur Verfügung stehen. Das hat der Oberste Gerichtshof (OGH) nun festgehalten. Es geht dabei um „unbedingt erforderliche Informationen, deren Vorenthaltung zu einem wirtschaftlichen Schaden des Arbeitgebers führen würde“. Der Zusatz: Die Genesung darf freilich nicht beeinträchtigt werden. An Arbeitnehmer in „gehobener Position“ seien dabei noch strengere Anforderungen zu stellen.

Hintergrund des Urteils ist ein Fall einer Anwalts-Sekretärin, die während ihres Krankenstands von ihrem Arbeitgeber entlassen wurde. Die Frau hatte längere Zeit Probleme mit ihrem Chef gehabt, fühlte sich von ihm massiv kritisiert und unter Druck gesetzt. Depressive Episoden und Schlafstörungen waren die Folge, schließlich fiel sie wegen Burn-outs mehrere Monate aus.

Während des Krankenstands forderte der Chef die Frau auf, für ein 20-minütiges Gespräch am Arbeitsplatz zu erscheinen, da mehrere dringende Angelegenheiten besprochen werden müssten. Die Arbeitnehmerin ließ ihn wissen, dass sie momentan nicht in der Lage sei, einen gemeinsamen Termin wahrzunehmen. Sobald es ihr Gesundheitszustand zulasse, werde sie sich zwecks Terminvereinbarung melden. Weiteren Aufforderungen kam die Klägerin nicht nach, bis sie schließlich entlassen wurde. Der Arbeitgeber sah eine Verletzung der Treuepflicht. Die Sekretärin zog dagegen vor Gericht. Vor dem Erstgericht obsiegte sie, es erachtete die Forderungen des Anwalts als schikanös. Das Berufungsgericht jedoch gab dem Beklagten recht, bejahte seinen Anspruch auf Kontaktaufnahme im Krankenstand.

Chef muss konkretisieren

Der Oberste Gerichtshof schließlich bestätigte diesen Anspruch, sah aber die Entlassung in dem Fall als ungerechtfertigt an. Die Höchstrichter stellten fest, dass Arbeitnehmer ihrer Firma fallweise selbst während des Krankenstands für Auskünfte zur Verfügung stehen müssen. Der Arbeitgeber wiederum muss laut OGH schon konkretisieren, was er will und sagen, welche Informationen er genau braucht, warum er diese nicht anderweitig beschaffen kann und inwieweit ihm ein schwerer wirtschaftlicher Schaden entstehen könnte. Der beklagte Anwalt hat das nicht getan; der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit war daher nicht gegeben. Zumal der Sekretärin jeglicher persönlicher Kontakt mit dem Rechtsanwaltspartner, von dem sie sich schikaniert fühlte, aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar gewesen sei, so der OGH.

Eine telefonische Erreichbarkeit ist für Vorarlbergs Arbeiterkammer-Direktor

Rainer Keckeis generell in Ordnung, natürlich abhängig vom Krankheitsbild. Sehr kritisch sehe er es allerdings, wenn vom Mitarbeiter verlangt werde, trotz Krankenstand im Betrieb vorbeizukommen. Damit werde eine Grenze überschritten. Generell beobachte er, dass die Höchstrichter immer arbeitnehmerfeindlicher werden. „Im Zweifel entscheiden sie gegen die Arbeitnehmer. Sie bewegen sich immer weiter weg von der Realität in der Arbeitswelt“, so Keckeis.

Ein Vorbeikommen in der Firma sehe ich kritisch.

Rainer Keckeis, Arbeiterkammer