Großprojekte in Frage gestellt

CIMA-Studie errechnete 59.100 m2 an neuem Einkaufsflächenpotenzial bis 2020.
Bregenz. 95 Prozent der Vorarlberger Kaufkraft bleiben im Land. Nur Kärnten und Salzburg haben mehr Einzelhandelsfläche pro Einwohner als Vorarlberg. Das sind zwei Erkenntnisse aus der Studie zur Einzelhandelsentwicklung im Rheintal und Walgau, die gestern in einem prall gefüllten Regierungsfoyer präsentiert wurde. Demnach bräuchte es gar keine zusätzlichen Handelsflächen mehr, zumindest aus betriebswirtschaftlicher Sicht. „Es fließen aber auch regionalpolitische Faktoren mit ein“, sagt Studienautor Roland Murauer von der CIMA Beratung + Management GmbH. Deshalb bescheinigt die CIMA-Studie ein strukturverträgliches Einzelhandelspotenzial von 59.100 Quadratmetern bis 2020. Gebhard Sagmeister, Spartenobmann des Handels bei der Wirtschaftskammer, sagt „zudem steigt mit mehr Verkaufsfläche auch die Nachfrage“.
Bregenz vorrangig
Bezogen auf die Regionen bescheinigt die Studie der Region Bregenz einen vorrangigen Entwicklungsbedarf. Die Regionen Bludenz und Feldkirch haben mittlere Handlungspriorität, hingegen nachrangig zu behandeln sei die Region Dornbirn, „weil die Messestadt wettbewerbsmäßig bereits gut aufgestellt ist“, begründet Murauer.
Die Studie sorgte im Vorfeld für viel Diskussionsstoff, wurde sie doch seit Februar unter Verschluss gehalten. Vermutlich auch wegen dieser Erkenntnisse. Immer wieder steht eine Erweiterung des Dornbirner Messeparks im Raum. Laut der Studie macht ein Ausbau des größten Einkaufszentrum aber keinen Sinn. „Der Messepark braucht vielleicht aus fachlicher Sicht einen Relaunch, aber nicht mehr Verkaufsfläche“, sagt Murauer unverblümt.
Seestadt „illusorisch“
Trotz der empfohlenen vorrangigen Behandlung für die Region Bregenz wird auch dort ein Großprojekt stark in Frage gestellt. Die Studienautoren errechneten für den Handel in Bregenz ein Potenzial von 11.000 m2 bis 2020. Die Seestadt alleine würde aber auf eine Handelsfläche von 14.000 m2 kommen. „Die Umsetzung beider Seestadt-Projekte erscheint illusorisch“, schreibt Murauer in der Studie und relativierte an der gestrigen Pressekonferenz: „Illusorisch ist vielleicht ein etwas hartes Wort. Wir haben immer wieder andere Zahlen bekommen. Die Seestadt in der jetzigen Planung könnte man mit viel Bauchweh umsetzen.“
Über der Region Bregenz hänge zudem noch ein Damoklesschwert: Entlang der Rheinstraße sind eine Reihe von Flächen für Handelsflächen gewidmet. Würden die Einkaufsflächen dort weiterentwickelt, hätte das weitere Auswirkungen auf das Stadtzentrum.
Zentren stärken
Und das ist es auch, was die Studie im allgemeinen empfiehlt: Die zentralen Strukturen stärken, denn diese stünden schon genug unter Druck. Bei Ansiedlungen in Randbereichen der Kommunen rate er deshalb zur Zurückhaltung. Das Verhältnis zwischen innerörtlichen Strukturen und Einkaufsflächen im außerörtlichen Bereich liege in Vorarlberg derzeit in der Benchmark. „Was ist, wenn dieses Verhältnis nicht mehr stimmt, kann man beispielsweise in Niederösterreich betrachten, wo einzelne Orte wie ausgestorben sind.“
Gebhard Sagmeister mahnte indes, „die Studie sollte ein Wegweiser sein, wie wir ungesunde Entwicklungen verhindern können“. Aber man müsse weg von einzelnen Projekten hin zur gesamtregionalen Betrachtung gehen.
Deshalb sagt Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser: „Bei Widmungen und Ansiedlungen an Ortsrändern werden wir künftig noch genauer hinschauen.“
Gesteuert wird dies zum Teil über den Landesraumplan. Die Experten schlagen übrigens vor, diesen zu begrenzen.
Steigt die Verkaufsfläche, steigt auch die Nachfrage.
Gebhard Sagmeister
Die Seestadt könnte man mit viel Bauchweh umsetzen.
Roland Murauer