Segen von Feist oder doch Mephisto von Faust

Markt / 08.05.2014 • 22:05 Uhr
Als Passivhaus wird ein Gebäude verstanden, das kein klassisches Heizsystem benötigt. Foto: VN/Berchtold

Als Passivhaus wird ein Gebäude verstanden, das kein klassisches Heizsystem benötigt. Foto: VN/Berchtold

Die Kriterien des ­Passivhauses ent­zweien die Architektur-Gemeinschaft.

bregenz. 1388 zertifizierte Passivhäuser gibt es derzeit in Österreich. Das erste seiner Art entstand bereits 1991, damals geplant von Dr. Wolfgang Feist. Viele Jahre galt das Passivhaus als erstrebenswerter Standard, als das Allheilmittel für energieeffiziente Bauweise.

Heute scheidet die Bauweise nach passiver Art die Geister. Das Passivhaus von Feist ist für manche Architekten der Mephisto von Goethes Faust. So auch für Architekt Christian Matt. „Nach 20 Jahren Passivhaus muss ich sagen, dass wir nichts gelernt haben“, sagt er anlässlich einer Podiumsdiskussion des Architektursymposiums „tri“. Was in den Köpfen passiere und was schlussendlich auf den Baustellen passiere, das klaffe weit auseinander.

Eine dramatische Entwicklung sieht er betreffend den sozialen Wohnbau. „Bedingt durch Förderungen gibt es heute eine Zweiklassen-Passivhaus-Gesellschaft. Nämlich das Beste für jene, die es sich leisten können, und Passivhäuser mit billigsten Baustoffen, die sogar gesundheitsschädlich sind, für die anderen“, sagt Matt.

Anregungen durch P-Haus

Wie auch Matt hat die Architektin Ursula Schneider schon eine Vielzahl von Projekten realisiert, die den Passivhausstandards entsprechen. Sie kann dieser Bauweise einiges abgewinnen. Vor allem „haben wir dadurch viel gelernt, wenn ich zum Beispiel an die Dreifach-Verglasung denke“. Ein Problem derzeit aber sei es, die Fachmänner für die Passivbauweise zu finden.

Ein glühender Verfechter vom Passivhaus ist der deutsche Architekt Kay Künzel. „Wer glaubt, Bauen würde in Zukunft ohne Passivhaus-Prinzipien gehen, hat etwas grundsätzlich nicht verstanden“, ist er überzeugt. Für ihn ist es „ein kinderleichtes Werkzeug und unsere Aufgabe, die fünf, sechs Kriterien aus der Physik in die Architektur zu transformieren“.

Zwei Kriterien für nach­haltiges Bauen sieht Peter Holzer, Berater für nach­haltiges Bauen, durch die Passivhaus-Standards erfüllt. „Der Rest“, sagt er, „passiert nicht von selbst. Somit erfüllt diese Bauweise nicht alle ­Kriterien.“

Dass diesbezüglich noch viel passieren muss, brachte Dietmar Eberle, der weltweit zehn Büros unterhält und an der ETH Zürich lehrt, auf den Punkt: „Das Passivhaus ist wie ein Traktor aus den 80er-Jahren, mit dem man in die Zukunft fahren will.“

Symposium seit 20 Jahren

Bereits viele Trends hat die „tri“, ein internationales Symposium für energieeffiziente Architektur, überlebt, miterlebt und mitgestaltet. „Vor 20 Jahren hatten wir die erste Veranstaltung im Hotel Mercure mit gut 90 Personen“, erinnert sich Christof Drexel (Drexel und Weiss) an die ersten Stunden zurück und sagt über den Stein des Anstoßes: „Wir wollten mit dieser Plattform die Technik voranbringen, wir wussten, dass sich in der Solarenergietechnik was ändern muss.“

Dieser Tage sind es nicht weniger als 300 Personen, die den Vorträgen lauschen, an Podien mitdiskutieren und sich austauschen.

Es gibt eine Zweiklassen-Gesellschaft von Passivhäusern.

Christian Matt