Schlecht für Sparer: EZB schafft Zinsen ganz ab

EZB senkt Leitzins auf 0,05 Prozent und schafft die Zinsen damit praktisch ab.
Frankfurt. (VN) Mario Draghi greift durch: Er senkt die Zinsen praktisch auf Null und legt schon wieder ein Anti-Krisenpaket auf. Die Wirkung auf die Kreditvergabe und die Konjunktur ist umstritten. Für Sparer sind es schlechte Zeiten. Mario Draghi wird so schnell kein Freund der Sparer. Denn unter der Führung des Italieners hat die Europäische Zentralbank den Leitzins gestern auf 0,05 Prozent gesenkt und damit praktisch abgeschafft. Das sei kein guter Tag für Sparer in Europa, wetterte der deutsche Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon. Die Zinskosmetik verdeutliche, dass die Zentralbank immer näher an das Ende ihrer geldpolitischen Möglichkeiten stoße.
Ins gleiche Horn bläst Andreas Martin, Vorstand des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR): Das von der erneuten Zinssenkung ausgehende negative Signal auf die Sparanreize der Bundesbürger sei sehr bedenklich, insbesondere mit Blick auf eine ausreichende private Altersvorsorge.
Ukraine-Krise trübt Stimmung
Doch Draghi sieht keinen anderen Ausweg aus der Misere, als die Kreditvergabe an Unternehmen mit immer billigerem Geld und immer mehr Liquidität im Markt anzutreiben. Noch im Frühjahr schien die Krise im Euroraum fast überwunden. Doch nicht zuletzt der Russland-Ukraine-Konflikt trübte die Stimmung von Unternehmen und Verbrauchern nachhaltig ein, die Konjunktur stagnierte. Auch deshalb bleibt der Preisauftrieb mickrig. „Wir mussten handeln. Das ist unsere Pflicht“, sagt Draghi. Denn die Inflation fiel zuletzt auf 0,3 Prozent. Was auf den ersten Blick nach guten Nachrichten für Verbraucher klingt, ist in Wirklichkeit gefährlich – denn bei dauerhaft sinkenden Preisen gerät die Wirtschaft in eine Abwärtsspirale.
Skepsis anstatt Optimismus
Dass die Maßnahmen die Konjunktur in Europa ankurbeln, glaubt Wilfried Hopfner, Sprecher der Vorarlberger Banken, nicht. „Das Ziel der EZB, mit billigen Krediten Wachstum zu generieren, ist schon bei der letzten Senkung nicht aufgegangen“, sagt Hopfner und führt aus: „Es ist ein Faktum, dass derzeit Kredite so billig sind wie nie. Aber das nützt nichts, wenn die Firmen diese Kredite nicht wollen, weil sie nicht investieren. Die Unternehmen brauchen Zukunftsperspektiven, damit sie wieder Investitionen tätigen.“
Weitere Maßnahmen
Angesichts wachsender Deflationsrisiken hält sich die Europäische Zentralbank (EZB) auch die Tür für massive Wertpapierankäufe weiter offen. Sollte eine zu lange Phase niedriger Inflation drohen, sei der EZB-Rat zu weiteren unkonventionellen Maßnahmen entschlossen, sagte Draghi. Ein solches unkonventionelles Vorgehen – im Fachjargon „Quantitative Easing“ (QE) genannt – dient als letztes Mittel, um eine Deflation zu verhindern.
Dafür könnte die EZB laut Draghi beispielsweise öffentliche Schuldtitel wie etwa Staatsanleihen oder auch private Papiere in großem Stil aufkaufen. Auch ein Programm zum Ankauf beider Wertpapierarten sei möglich, betonte Draghi. Mit entsprechenden Käufen hatten bereits die Notenbanken der USA, Japans und Großbritanniens ihre Wirtschaft nach der Finanzkrise wieder angekurbelt.
Stimmen
Billige Kredite nützen nichts, wenn die Firmen diese Kredite nicht wollen. Ich glaube nicht, dass die Zinssenkung etwas bringt.
Bankensprecher
Wilfried Hopfner
Die Europäische Zentralbank hat mit ihrem heutigen Schritt einen entscheidenden Beitrag im Kampf gegen die Wirtschaftsflaute geleistet.
WKÖ-Präsident Christoph Leitl
Die EZB hatte ihr Pulver schon viel zu früh verschossen und die Zinsen zu weit gesenkt. Jetzt ist sie in der Liquiditätsfalle.
Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn