“Wie der Teufel hinter der Seele her”

Markt / 29.01.2015 • 22:27 Uhr
Trafen sich zur Expertenrunde in der VN-Redaktion: Karin Hinteregger, Norbert Baschnegger und Roland Rupprechter. Foto: VN  
Trafen sich zur Expertenrunde in der VN-Redaktion: Karin Hinteregger, Norbert Baschnegger und Roland Rupprechter. Foto: VN  

Expertenrunde zu Franken, stop-loss-Klausel, Verantwortung und Anlagestrategien.

Schwarzach. (VN) Der Tag des Entscheids der Schweizerischen Notenbank, den Euro-Mindestkurs aufzugeben, den 15. Jänner 2015, bezeichnen viele als den „schwarzen Donnerstag“. Der Aktienmarkt stand unter Schock, genauso wie die vielen Kreditnehmer, die quasi über Nacht Tausende Euro mehr an Schulden hatten.

Das Thema wird auch zwei Wochen danach immer noch kontrovers diskutiert. Die Banken suchen derzeit die Gespräche, um individuelle Lösungen zu finden. Die Konsumentenschützer sehen in der stop-loss-Klausel ein Instrument, das versagt hat. Die VN haben deshalb drei Experten an einen Tisch geladen, um darüber zu diskutieren: Karin Hinteregger, Leiterin des AK-Konsumentenschutzes, Norbert Baschnegger, Vorstand der Raiffeisenbank am Bodensee, und Roland Rupprechter, Leiter Asset Management der Hypobank Vorarlberg. Dabei wurde eines klar: Alles hat eine Geschichte und anstatt die Wurzel des Übels zu suchen, braucht es verträgliche Lösungen.

Wie haben Sie die Tage nach dem „Franken-Schock“ in Ihrer Arbeit erlebt?

Karin Hinteregger: Es gab natürlich viele Emotionen, weil hinter einem Kredit immer Menschen und deren Existenz stehen. Es gab Entsetzen, Verzweiflung und auch Wut. Die Wurzel des Übels liegt für mich in der Kreditvergabe, denn ein Franken-Kredit ist nicht geeignet für den kleinen Häuslebauer. Dort haben sich bei jenen, die sonst keinen Kredit bekommen hätten, Berater als „Wunderwuzzis“ aufgespielt. Dabei ist ein endfälliger Kredit mit Tilgungsträger die ungünstigste Variante. Es gibt Kreditnehmer, die haben ihr Eigenkapital anstatt in die Abzahlung des Kredits in einen Tilgungsträger wie eine Lebensversicherung gesteckt. Viele können das nun nur noch knapp stemmen, das ist ein massives Problem. Die Frage stellt sich nun schon, ob nicht die Banken ihren Anteil leisten müssen.

Sind die Banken die Wurzel allen Übels?

Norbert Baschnegger: Seit dem Jahr 2009 waren die Banken extrem dahinter, dass die Kreditnehmer rausgehen aus dem Franken. Damals hatten wir in unserer Bank 350 Millionen Franken an Ausleihen, heute sind es 150 Millionen. Aber ich ärgere mich heute, dass man damals nicht einfach zwangskonvertiert hat. Man hat die ruhigere Vorgehensweise gewählt und in Einzelgesprächen mit den Kunden versucht, das Bewusstsein für eine Konvertierung zu schaffen. Wir waren da wirklich wie der Teufel hinter der Seele her. Die Leute haben aber teilweise ihre eigenen Kursmeinungen gehabt. Sie dachten, der Euro wird stärker. Und das waren zumeist nicht Fälle mit einer hoffnungslosen finanziellen Situation. Viele haben spekuliert und wollten nicht mit Verlust rausgehen. Wenn jemand falsch gelegen ist, kann er oft nicht damit umgehen.

Roland Rupprechter: Damals, als die Schweizerische Nationalbank (SNB) die ersten Maßnahmen ergriffen hat, wurde dummerweise kurz der Euro stärker, teilweise auf 1,25. Da fühlten sich alle, die nicht konvertieren wollten, bestätigt.
Die Aufwertung am 15. Jänner war für uns eine Schockmeldung, weil die SNB zuvor noch angekündigt hatte, am Mindestkurs festzuhalten. Dieser Schock hat sich durch den Devisen-, Anleihen- und Aktienmarkt gezogen. Der DAX hat dann sofort reagiert. Viele haben in Panik alles verkauft. Dann hat sich aber doch der ökonomische Gedanke durchgesetzt und der DAX hat durch Anschlusskäufe wieder aufgeholt. Die exportorientierte Wirtschaft in der Schweiz hat natürlich nun den Nachteil, auch die Schweizer Anleger haben verloren. Vorarlberger mit Schweizer Aktien sind nicht betroffen. Und die Anleihen haben klar gewonnen. Wenn man zum Kursgewinn noch den Niedrigzins rechnet, sogar doppelt gewonnen.

N. Baschnegger: Es gibt viele Kursmeinungen. Es gibt Experten, die sagen, Ende 2016 wird 1 Euro nur 0,92 Franken kosten. Wenn ich das nicht aushalte, dann sollte man sofort aus dem Franken herausgehen und den Verlust realisieren. Wenn es ein wirtschaftliches Problem gibt, kann man immer darüber reden. Aber es gibt auch die Eigenverantwortung und aus dieser sind viele geflüchtet, weil sie spekuliert haben.

K. Hinteregger: Zu uns kommen nicht die Fälle, die es locker nehmen können. Wir haben immer gesagt, Fremdwährungskredite sind Zockerei und man sollte nicht mit den eigenen vier Wänden spekulieren. Das Übel ist, dass überhaupt Fremdwährungskredite vergeben wurden. Man darf die Kreditnehmer nun nicht als Spekulanten darstellen. Sie wollten nur günstig ihr Haus abzahlen. Die Banken haben zu wenig aufgeklärt. Und Franken-Kredite wurden aktiv verkauft.

Haben die Banken ihre Kunden falsch beraten?

R. Rupprechter: Unumstritten ist, dass es damals einfach den Zinsvorteil gab, wo man ein Haus ein bis zwei Prozent günstiger finanzieren konnte.

N. Baschnegger: Frankenkredite waren eine Mode, die auch die Banken getrieben hat. Der Boom war Ende der 90er-Jahre. 2004/05 hat uns die Finanzmarktaufsicht den Spiegel vorgehalten. Es gab Warnungen. Man kann uns vorwerfen, dass wir überhaupt Frankenkredite vergeben haben, aber wir waren nicht die Treiber. Teilweise ist das auch gegen unseren Wunsch passiert. Und wenn wir den Kredit nicht gemacht haben, dann eben andere. Wie gesagt: Wir waren dahinter wie die Teufel, dass die Kreditnehmer raus aus dem Franken gehen.

War die stop-loss-Klausel ein Fallstrick?

K. Hinteregger: Die stop-loss-Klausel wurde vielen als Absicherung verkauft. Und die sagen jetzt, wäre ich aufgeklärt worden, wäre ich früher ausgestiegen.

N. Baschnegger: Am Höhepunkt des Franken-Hypes war stop-loss eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera. Jeder Bankberater wäre froh gewesen, wenn alle aus dem Franken ausgestiegen wären. Über das Risiko ist jeder aufgeklärt worden. Wir haben mit jedem Kreditnehmer jährlich Gespräche geführt. Wir haben ja mit Frankenkrediten nicht mehr Geschäft gemacht als mit Euro-Krediten. Man hat früher schon immer gesagt, Frankenkredite sind nur für gute Schwimmer. Stop-loss gab es nur bei denen, die absolut renitent waren. Viele haben einfach nur die Chance auf den Gewinn gesehen. Aber es gab bei jedem Kredit zuvor immer einen sogenannten Elchtest, der bestanden werden musste. Wenn er trotz Nicht-Bestehens einen Kredit bekommen hätte, dann könnte man uns die Schuld geben.

Welche Chancen ergeben sich nun für die Anleger, insbesondere für die Grenzgänger?

R. Rupprechter: Europa wird auf den alten Wachstumspfad zurückkehren. Durch die EZB-Staatsanleihenkäufe kommt viel Geld auf die Märkte. Es wird zwar dadurch nicht mehr Kredite geben, aber die Asset-Preise steigen. Der private Investor wird also profitieren. Bei den Investments macht es Sinn, auf Wachstumsmärkte zu setzen – Elektroautos, Energieinfrastruktur, digitale Technologie. Für Grenzgänger bieten sich großkapitalisierte Aktien wie Roche, Nestle und Novartis an – die in der Fakturierung alle einen kleinen Franken-Währungsanteil haben und damit nicht so von der Franken-Aufwertung im Export betroffen sind. Auch deutsche Unternehmen mit einer hohen Exportorientierung, wie Daimler, BMW, Siemens – die von einem schwächer werdenden Euro profitieren, sind interessant. Letztere können Grenzgänger wegen der Frankenaufwertung quasi um 15 Prozent günstiger erwerben. Zudem sind substanzstarke Aktien mit hoher Dividendenrendite interessant, in der Regel Versorger und Telekommunikationsunternehmen. Wichtig ist eine breite Streuung und es empfiehlt sich, auch amerikanische Aktien zuzulassen.

Seit 2009 waren die Banken extrem dahinter, dass die Kreditnehmer aus dem Franken gehen.

Norbert Baschnegger

Hinter den Krediten stecken Familien mit Kindern, die jetzt um ihre Existenz kämpfen.

Karin Hinteregger

Die Schockmeldung hat sich durch den Devisen-, Aktien- und Anleihenmarkt gezogen.

Roland Rupprechter
"Wie der Teufel hinter der Seele her"

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