„Ein Weg, den eigenen Markt zu gestalten“

Markt / 01.03.2015 • 18:42 Uhr
Die Idee: Eine Gemeinschaft finanziert die Ausgaben eines Bauernhofs vor und erhält dafür die Produkte.  
Die Idee: Eine Gemeinschaft finanziert die Ausgaben eines Bauernhofs vor und erhält dafür die Produkte.  

Franz-Theo Gottwald über die Vorzüge gemeinschaftsgestützter Landwirtschaft.

Dornbirn. (VN-pes) „Landwirtschaft als Gemeingut“ lautet der Titel eines Vortrags, den Franz-Theo Gottwald am 5. März in Dornbirn hält. Den Rahmen bildet die Reihe „Landwirtschaft verstehen“ der Bodensee-Akademie. Gottwald ist unter anderem Befürworter sogenannter „Community Supported Agriculture“ (CSA). Bei diesem Modell finanziert eine Gemeinschaft von Kunden die Ausgaben eines Bauernhofs für ein Jahr vor und erhält dafür dessen Produkte. Die VN sprachen vorab mit dem aus Deutschland stammenden Ethiker über Regionalität und Gemeingutwirtschaft.

Wie lässt sich die bäuerliche Landwirtschaft zukunftsfähig aufstellen?

Gottwald: Wir in der Schweisfurth-Stiftung glauben an das Prinzip der Commons, also des Verbindens von Ressourcen wie Boden, Wasser oder Saatgut mit Menschen aus einer Gemeinschaft kleiner bäuerlicher Betriebe, und Regeln, mit denen sie einen Weg finden, ihren eigenen Markt zu gestalten. Das ist in Wettbewerbsumfeldern der Globalisierung und der Diskontierung überaus spannend.

Warum ist dieses Gemeingut-Denken nötig? Kann uns die herkömmliche Landwirtschaft nicht mehr ernähren?

Gottwald: Die herkömmliche Landwirtschaft bewegt sich ja unter technologischem Einfluss extrem hin zu einer Erzeugung von Biomasse als Rohprodukt für die Weiterverarbeitung in der chemischen, Lebensmittel-, Textil- oder Energiewirtschaft. Sie merken, wie viele Konkurrenzen dort bestehen; für die Lebensmittel wird es in Zukunft knapper.

Können Commons aber den Bauern eine Alternative dazu bieten, zum Beispiel Mais für die Energieerzeugung in Biogasanlagen anzubauen?

Gottwald: Bei den heutigen hochtechnisierten Biogasanlagen, die aus mehr als 300 Kilometern beschickt werden müssen, möchte ich sehen, welcher Landwirt damit in fünf Jahren noch etwas verdient, denn die Preise sind gestützt. Sobald die Preisstütze wegfällt, wird es sich kaum mehr rechnen.

Kann die CSA die Bauern von Subventionen unabhängig machen?

Gottwald: Wir sehen bei CSA-Betrieben in Deutschland, dass dies wegen der direkten Kundenbindung durchaus der Fall ist. Für mich ist das Commons-Thema deshalb spannend, weil wir Produzenten aus dem ländlichen Raum mit Konsumenten zusammenbringen. Dadurch können sich auch verlässlichere, dauerhafte Kundenbeziehungen bilden.

Sind diese Lebensmittel für den Konsumenten leistbar oder eher ein Luxusprodukt?

Gottwald: Sie sind kein Luxusprodukt, ganz im Gegenteil. Die Preise werden nämlich zwischen dem Erzeuger und der Gemeinschaft ausgehandelt, die sie ihm abnimmt. Es handelt sich nicht um Öko-Delikatessen. Gerade auch deshalb, weil der Konsument durch das Einbringen von Arbeitsleistung den Preis auch senken kann.

Der Kunde finanziert also nicht nur, sondern arbeitet mit?

Gottwald: Ja, das ist in gemeinschaftsgestützten Landwirtschaftsprojekten eine Möglichkeit.

„Ein Weg, den eigenen Markt zu gestalten“

Zur Person

Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald

Geboren: 1955 in Wiesbaden

Tätigkeiten: Honorarprofessor für Umwelt-, Agrar- und Ernährungsethik an der Humboldt-Universität, Berlin; Dozent für Politische Ökologie an der Hochschule für Politik, München; Vorstand der Schweisfurth-Stiftung München, Vorsitzender der Bayerischen Verbraucherkommission.

Informationen und
Anmeldung zum Vortrag:
www.bodenseeakademie.at