“Wo große Player sind, gibt es große Lücken”

Ruggell. Hartwig Hämmerle hat einen guten Riecher für innovative Produkte. Angefangen mit Singer Nähmaschinen, hat er mit Martello eine weltweit erfolgreiche Kaffeekapsel-Marke etabliert. Neuestes Produkt ist das Brot aus der Kapsel. Im Interview erzählt er seine spannende Geschichte.
Angefangen hat alles mit Nähmaschinen…
Hämmerle: Angefangen hat alles 1977 im Geschäft von meinem Vater. Er hat mich morgens in Satteins ausgesetzt und ich bin von Tür zu Tür, um Nähmaschinen zu verkaufen. Das wurde immer schwieriger. Wir haben dann Filialen gegründet und ich hab ein Studium in Internationalem Marketing nachgemacht. Darauf kam ein Angebot von Singer in Wien als Filialchef. War dann Geschäftsführer von Österreich, später von Slowenien, Russland, Ungarn und der Schweiz. 1999 ging Pfaff in Konkurs und ich habe die Marke Singer als Generalimporteur für Österreich und die Schweiz übernommen. Damals haben wir 4000 Maschinen im Jahr verkauft. Heute beliefern wir viele großen Ketten in ganz Europa und sind mit 170.000 Maschinen einer der größten Singer-Nähmaschinenhändler weltweit. Das wird nach wie vor alles aus Lustenau heraus gemanagt.
Dann haben Sie sich mit dem Weltkonzern Nespresso „angelegt“. Heute zählen Sie zu den größten Kaffeekapsel-Firmen in Europa. Wie kam es dazu?
Hämmerle: 2006 habe ich ein zweites Studium gemacht. Eine Prüfungsaufgabe dort war die Analyse von Nespresso USA. Es hat mich fasziniert, dass man mit einer Kapsel, die 30 Cent kostet, Geld verdienen kann. Bedenken gab es natürlich viele, aber ich dachte, wo es große Player gibt, gibt es große Lücken. Die Lücke habe ich gefunden: Ein tolles Produkt zu einem aggressiven Preis. Denn alle sind immer in die obere Preisecke gegangen. Bis zum heutigen Tag sind wir bei 19 Cent pro Kapsel, die Maschine kostet 49 Euro. Ich habe dann einen Namen gesucht und bin auf Martello gekommen, denn das heißt Hämmerle auf Italienisch. In China heiße ich nicht Hämmerle, sondern Mister Martello. 2008 war Coop der erste große Kunde. Danach sind wir nach Skandinavien, dann kamen Hofer Österreich, Aldi Ungarn und Schweiz, Hofer Slowenien und zuletzt Wal-Mart in Kanada. In Österreich sind wir heute die Nummer 2 mit 350.000 Maschinen und 90 Millionen Kapseln im Jahr.
Neuestes Produkt ist „easy bread“ – ein Kapselsystem für Brot. Wie entstand diese Idee?
Hämmerle: Eher durch einen Zufall. Ein Chinese hat vor vielen Jahren ein Patent entwickelt für eine Brotbackmaschine mit Kapseln. Das hat mich interessiert, sie wollten mir vor Ort aber keinen Termin geben und so bin ich am nächsten Tag nach China geflogen. Die Fabrik ist eine der größten Kleingerätehersteller in China mit einer Fläche von 1,4 Millionen Quadratmetern. Ich habe vor der Fabrik gewartet und schließlich haben Sie mich dann vorgelassen. Lustigerweise war der Chef ein Holländer, den ich von früher kannte. Letztes Jahr hat er dann übrigens bei „Easy Bread“ als General Manager angefangen. Aber es hat lange gebraucht, das Konzept in einem System zu denken. Mit meinem jetzigen Geschäftspartner Franz Rhomberg von Vorarlberg Mehl haben wir das Produkt entwickelt. Wir produzieren selbst in Vorarlberg, das Rohmaterial kommt aus dem Bodenseeraum. Das Brot ist rein – ohne Konservierungs- und Farbstoffe, ohne Haltbarmacher und ohne künstliche Enzyme. Die ersten Maschinen sind nun am Markt. Es ist eine Weltneuheit.
Täglich klopfen Hersteller an die Türen der großen Einzelhandelskonzerne. Mussten Sie viel Überzeugungsarbeit für Ihre Produkte leisten?
Hämmerle: Ich hatte schon ein paar Kontakte durch Singer. Aber mit Nähmaschinen kommt man nie weiter als bis zum Einkäufer. Mit dem Kaffee und auch mit dem Brot kommen wir immer in die Eigentümer- oder CEO-Ebene weil es ein Gesamtkonzept ist. Wir haben keine Messe besucht, keine Werbung gemacht. Alle Kunden sind aus unseren Kontakten heraus entstanden. Mit Brot haben wir offene Türen, weil das Konzept niemand hat und es niemand nachmachen kann, weil alles patentiert ist. Letztlich ist in meinem Bereich Hartnäckigkeit wohl wichtiger als Kreativität.
Sie haben Firmen in Vorarlberg, Schweiz und Liechtenstein? Welche Vorteile bietet Ihnen das?
Hämmerle: Ich bin vor fünf Jahren nach Liechtenstein wegen der Landschaft – der steuerlichen Landschaft. Es hat ein paar massive Gründe. In Österreich habe ich das Gefühl, dass Menschen, die etwas bewegen, mit einer Firma ins Risiko gehen mit einem Steuersatz von 50 oder 55 Prozent einfach zu viel bezahlen. Das ist in Liechtenstein anders. Auch die Steuern werden zwei Jahre später gezahlt. Die Schweiz ist hinsichtlich Stabilität von Geschäftsbeziehungen etwas völlig anderes. Die Loyalität ist enorm. Da muss viel passieren, dass jemand sagt: „schleich dich um die Häuser“.
Nähmaschine kauft man nur einmal im Leben. Der Brotmarkt ist doppelt so groß wie der Reismarkt.

Kennzahlen
» Helmut Hämmerle Maschinenhandel, Lustenau
» Superespresso AG (Martello), Mauren (FL)
» Easy Bread Company, Ruggell
» Gründung: Helmut Hämmerle 1958, Martello 2008
» Mitarbeiter: 45 in Österreich, der Schweiz, Liechtenstein
» Singer-Länderhändler in Österreich und der Schweiz: Verkauf: 170.000 Maschinen jährlich
» Martello: 350.000 Maschinen in den Haushalten, 2014: 90 Millionen Kapseln verkauft
» Easy Bread: Verkaufsstart im Herbst 2014, u. a. bei Wall Mart Canada
Zur Person
Hartwig Hämmerle
Helmut Hämmerle Maschinenhandel Gesellschaft m.b.H. in Lustenau; Superespresso AG (Martello) in Mauren; Easy Bread Direct in Ruggell
Geboren: 6. 6. 1959
Ausbildung: Handelsschule, später zwei Studien nachgemacht
Laufbahn: 1977 Einstieg in den Betrieb des Vaters als Außendienstmitarbeiter, Geschäftsführer im Singer-Konzern für Österreich, die Schweiz, Slowenien, Russland sowie Ungarn; Übernahme der Marke Singer als Generalimporteur für Österreich und die Schweiz. Entwicklung von Martello und „easy bread“.
Familie: zwei Kinder, in einer Beziehung