All diese Bilder im Kopf

Markt / 29.04.2015 • 22:19 Uhr
Die carla-Shops der Caritas geben langzeitarbeitslosen Menschen die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.  
Die carla-Shops der Caritas geben langzeitarbeitslosen Menschen die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.  

Tag der Arbeitslosen: Caritas und Zukunfts­institut sehen Potenzial älterer Arbeitsloser ungenützt.

Lustenau. (VN-reh) Zum Thema Arbeitslosigkeit gibt es unzählige Studien. Als nun aber die Caritas auf Harry Gatterer vom Zukunftsinstitut zukam, war er doch etwas überrascht. Denn dass er gesellschaftliche Megatrends in Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit betrachten sollte, war für ihn zunächst eine eher ungewöhnliche Fragestellung. In seinem Beruf ist er tagtäglich dem gesellschaftlichen Wandel auf der Spur. Nun sollte er – statt immer nur die Schwierigkeiten zu sehen – die Chancen und Potenziale für langzeitarbeitslose Menschen aufspüren. „Arbeit ist Identität gebend, ohne Job entsteht Isolation. Durch den Wandel sind aber viele Jobs verloren gegangen, dafür sind andere entstanden. Diese Veränderung erzeugt am Arbeitsmarkt wiederum Gewinner und Verlierer“, erklärt Gatterer anlässlich des „Tags der Arbeitslosen“.

Diese Verlierer sind oft über 50 Jahre alt und arbeitslos. Aktuell ist jeder vierte Arbeitslose in Vorarlberg über 50 Jahre alt, und die Gesellschaft wird immer älter. „Aber die meisten Unternehmen konkurrieren nur um den Nachwuchs und sehen dabei nicht, welche Potenziale ihnen verlorengehen“, so der Zukunftsforscher. Die Chancen durch die Beschäftigung von älteren Arbeitslosen werden völlig unterschätzt. Dabei sei es eine Chance, weil es Menschen mit Erfahrung und einem großen Netzwerk seien, die meist auch keine karrierebedingten Jobwechsel mehr anstreben. Das Bild, das man vom Alter habe, sei dabei ein völlig falsches. „Der 60-Jährige von morgen ist fit und gesund wie heute ein 45-Jähriger“, sagt Gatterer und kritisiert, dass die Gesellschaft sytematisch Langzeitarbeitslose produziere, wenn sich diese Bilder in den Köpfen nicht ändern.

Alter als Hemmnis

Mit Langzeitarbeitslosen hat Karoline Mätzler, Leiterin für Arbeit und Qualifizierung bei der Caritas, täglich zu tun. Das einzige Vermittlungshemmnis ist oft nur das Alter, stellt sie fest. „Langzeitarbeitslosigkeit kann jeden von uns treffen. Wenn ich die Lebensläufe sehe, ist es kaum zu glauben, dass sie keinen Job finden“, spricht sie aus ihrer langen Erfahrung. Sobald man arbeitslos ist, sei man automatisch stigmatisiert, gelte als faul. Die Vermittlungsquote ist dementsprechend. Bei Jugendlichen liege sie bei über 60 Prozent, bei Älteren bei 25 bis 30 Prozent. „Wir haben einen Pool von 50 Über-50-Jährigen bei uns. Auf unser Inserat gab es keinen einzigen Anruf. Mich würde schon interessieren, warum“, fragt sie sich, ist aber zugleich ebenfalls davon überzeugt, dass es einfach mit den Bildern in den Köpfen zu tun hat.

Den „Trend Report“ des Zukunftsinstituts zu diesem Thema, der bis Juni fertiggestellt sein soll, sieht sie als Arbeitspapier. Er soll Grundlage dafür sein, die Welt anders zu sehen, den Blick zu weiten. „In der Arbeitsmarktpolitik wird immer nur kurzfristig reagiert. Der Report soll unabhängig von den blanken Zahlen einen visionären Blick auf das Thema „ältere Arbeitslose“ werfen. Dafür wolle man dann auch die Sozialpartner und Unternehmen einbinden“, erklärt Mätzler.

„Quote das Blödeste“

Letztlich will man der Arbeitslosendiskussion eine andere Färbung geben. Denn, wie Harry Gatterer fürchtet, „das Blödeste, was uns passieren könnte, ist, dass die Politik Quoten einführt. Darüber wird aktuell massiv diskutiert.“

All diese Bilder im Kopf
Zukunftsforscher Harry Gatterer und Karoline Mätzler (Caritas).
Zukunftsforscher Harry Gatterer und Karoline Mätzler (Caritas).