Ungebetene Gastfreundschaft

Markt / 28.07.2015 • 22:32 Uhr
Reinhold Fromm begrüßt Airbnb-Gäste aus Brasilien vor seiner Ferienhütte in Hittisau. Foto: Yvonne Bechter

Onlinezimmerbörse „Airbnb“ wächst, aber in rechtlicher Grauzone. Hotellerie ist verärgert.

Schwarzach. Niemand will Tourist sein, zumindest nicht offensichtlich. Man wäre einer der „Ahnungslosen im Ausland“, drückte es Mark Twain schon 1869 in seinem Reisetagebuch sinngemäß aus. Der Onlinedienst Airbnb, abgekürzt für „Airbed and Breakfast“, hat sich diese Feststellung mit einem millionenschweren Geschäft zunutze gemacht. Er bringt Kurzzeit-Touristen mit jenen Einheimischen zusammen, die gegen Entgelt einen Unterschlupf bei sich bieten – sei das in einem Gästezimmer oder in einer leerstehenden Wohnung. Dabei wandern rund 15 Prozent pro Nächtigungsbuchung als Gebühren in das Börserl der Firma.

Günstig Mitwohnen statt Hotel, WG-Teilhabe und Tipps von Einheimischen statt Zimmerservice, lautet die Devise. Großer Verlierer dabei ist die Hotellerie, die unfairen Wettbewerb ortet, sowie die Politik, die mit ihren auf den digitalen Trend nicht abgestimmten Gesetzen hilflos zuschaut.

Hotels wollen Waffengleichheit

Gregor Hoch (37), Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung und Geschäftsführer des Hotels Sonnenburg in Lech, kritisiert: „Die Politik hat das Problem noch nicht erkannt, obwohl wir es immer aufs Tapet bringen.“ Er ortet ungleiche Wettbewerbsvoraussetzungen und will diese vereinheitlicht sehen. „Wir Hoteliers werden mit einer Mehrwertsteuer-erhöhung, behördlichen Auflagen und Betriebsprüfungen drangsaliert, während sich vermeintlich nicht-gewerbliche Airbnb-Gastgeber ohne jegliche Vorschriften eine goldene Nase verdienen“, ärgert sich der Hotelbesitzer.

Seine Hauptkritikpunkte sind, dass Airbnb-Gastgeber keine Ortstaxe abführen, welche zur Aufrechterhaltung der lokalen Infrastruktur beiträgt, sowie die vielfach „verdeckte Vermietung“, also ohne Versteuerung der Mieteinnahmen, weil die Finanz keine Einsicht habe.

Airbnb zufolge sind die österreichischen Hotspots unangefochten Wien und mit einigem Abstand die Stadt Salzburg, aber auch in Vorarlberg ist es Thema. „In Vorarlberg gibt es 309 Hotels und 173 Airbnb-Unterkünfte. Auf jedes zweite Hotel kommt also mehr als eine Airbnb-Unterkunft“, so Hoch. Einen aufgeschlüsselten Vergleich mit Bettenanzahlen nennt er nicht.

Airbnb setzt auf Gesetzestreue

Naturgemäß unproblematisch sieht man die Situation beim Unternehmen selbst. Julian Trautwein (30), Airbnb-Pressesprecher für den deutschen Sprachraum, ist überzeugt, dass Hotels und Privatplattformen gut nebeneinander bestehen können, da sie unterschiedliche Klientel ansprechen. „Die Hotellerie in Österreich weiß nur noch nicht, wie sie damit umgehen soll“, sagt der Deutsche. Sie sollte sich aber bald damit befassen, denn: „Wir sind erst am Anfang. Die Kundschaft wird stark wachsen. Wir werden unser Modell zudem bald auch auf Geschäftsreisende adaptieren.“

Aktuell gebe es österreichweit 9250 Unterkünfte. Das ist ein Gastgeber-Wachstum von 85 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Nächtigungen seien sogar um 130 Prozent gestiegen. Zu Umsatzzahlen macht er keine Äußerungen. Angesprochen auf die Kritik der Schwarzvermietung entgegnet Trautwein mit: „All unsere Gastgeber halten sich an die lokalen Spielregeln, davon gehe ich aus. Wer vermietet, wird auf unserer Homepage darauf hingewiesen, dass er die entsprechenden Abgaben selbstständig abführen muss.“

Politik gleichgültig bis ratlos

Ein Rundruf zu diesem Interessenskonflikt bei der Politik trübt die Aussichten auf eine baldige Lösung. Gabriel Obernosterer (60), schwarzer Tourismussprecher im Parlament und selbst Hotelier, sieht keinen Handlungsbedarf seitens des Gesetzgebers. „Es ist alles geregelt. Im Einkommenssteuergesetz sowie im Meldegesetz steht klar, wer seine Mieteinnahmen wie zu versteuern hat und wer Ortstaxe abliefern muss.“ Vielmehr hätten Städte und Gemeinden Aufholbedarf, was das Eintreiben ihrer Abgaben anbelangt.

Gar als „große Chance“ sieht Neos-Tourismussprecher Sepp Schellhorn (48) den neuen Konkurrenten. Er fordert allerdings von den Regierungsparteien, „Waffengleichheit“ zu schaffen. „Entweder alle zahlen die Abgaben, oder wir streichen sie ganz, was mir sowieso am liebsten wäre.“

Hohe Auslastung durch Airbnb

Eine Lobeshymne auf das neue Vermietungsportal singt Reinhold Fromm vom Naturparadies Wildenrain in Hittisau. Der 62-Jährige vermietet schon seit vergangenem Jahr eine Ferienhütte an diese Onlinegäste, die aus aller Welt und jeden Alters sind. Fromm habe durchwegs gute Erfahrungen gemacht, und das Erfreuliche dabei sei die hohe Auslastung seines Domizils zu für gewöhnlich „toten Zeiten“. „Ende Oktober habe ich das Inserat online gestellt und am nächsten Tag hatte ich schon drei Anfragen für den November“, schildert der Gastronom.

„70 bis 80 Prozent der Gäste in dieser Hütte buchen über Airbnb.“ Er selbst sei zwar gewerblicher Anbieter und behandle alle Einkünfte über diese Plattform steuerrechtlich selbstverständlich wie jene vom Haupthaus, könne sich aber auch vorstellen, dass viele vermeintlich private Anbieter durch Abgabenhinterziehung ein großes Geschäft machen.

Wir Hoteliers werden mit Mehrwertsteuer-erhöhungen und behördlichen Auflagen drangsaliert.

Gregor Hoch
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