Frankenschock sitzt tief

Auswirkungen für Schweiz werden immer mehr sichtbar, Vorarlberg profitiert.
Schwarzach. (VN-reh) Es war der 15. Jänner 2015, der für viele die Welt aus den Fugen kippen ließ. An dem Tag beschloss die Schweizerische Nationalbank, den Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro aufzuheben. Danach war vieles nicht mehr so wie es war. Der „Frankenschock“ griff um sich. Jetzt, mehr als sechs Monate später, hat sich vieles zwar beruhigt, doch die negativen Folgen sind immer noch spürbar. Der heutige Nationalfeiertag in der Schweiz ist also nicht für alle ein Grund zu feiern.
Lebensmittel, Drogerie, Bekleidung, Sportwaren, Einrichtungsgegenstände – nach einer Erhebung der Universität St. Gallen haben allein diese Branchen bereits 9 Milliarden Franken durch den „Einkaufstourismus“ nach Deutschland, Österreich, Frankreich oder Italien verloren. Das Forschungsbüro Bakbasel rechnet für 2015 mit 2 Mrd. Franken weniger in den Kassen der Einzelhändler. Verständlich, wenn man bedenkt, dass man heute für 100 Schweizer Franken über 94 Euro bekommt. Das Resultat: Vor den Supermärkten, Geschäften und Einkaufszentren in Vorarlberg tummeln sich Autos mit Schweizer Kennzeichen. Somit waren die „Einkaufstouristen“ auch ein Grund dafür, dass der Einzelhandel in Vorarlberg im ersten Halbjahr ein schönes Umsatzplus einfahren konnte. Ebenso profitabel ist der „Frankenschock“ für die Restaurants und Hotels im Land. Denn immer mehr Schweizer essen oder verbringen ihren Urlaub außerhalb ihres Landes. Umgekehrt urlauben immer weniger Euro-Verdiener in der Schweiz. Vorarlbergs Tourismus freut’s. In der laufenden Sommersaison kamen 41.325 Gäste aus der Schweiz und Liechtenstein nach Vorarlberg, fast 13 Prozent mehr als im Vorjahr. „Aufgrund des günstigen Eurokurses dürften unsere Nachbarn das Urlaubsland Vorarlberg noch stärker berücksichtigt haben als im Winter“, sagt Landestourismusdirektor Christian Schützinger (49). Der Grund ist, dass im Jänner viele ihren Urlaub bereits gebucht hatten. Schockiert vom „Frankenschock“ ist nach wie vor die Schweizer Industrie. Die Exporte gingen im ersten Halbjahr 2015 um 2,6 Prozent zurück, so die Eidgenössische Zollverwaltung. Einbußen gab es dabei vor allem für die Pharma-Branche und den Maschinenbau. Neubestellungen seien „massiv zurückgegangen“, heißt es bei der Exportförderung Switzerland Global Enterprise. Die Exportstimmung sei besonders bei kleinen und mittleren Unternehmen „auf Rekordtief“.
30.000 Jobs in Gefahr
Spürbar ist das auch beim Wachstum. Das Staatssekretariat für Wirtschaft in Bern hat die BIP-Prognose für 2015 von 2,1 Prozent auf 0,8 Prozent gesenkt. Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, geht von nur 0,4 Prozent aus und sagt: „Mit einem Eurokurs von 1,05 Gefahr laufen wir Gefahr 30.000 Stellen zu verlieren.“
Eine Warnung kommt auch von der österreichischen Nationalbank bezüglich der noch ausstehenden Frankenkredite. Sie befürchtete weitere Frankenaufwertungen und auch die Tilgungsträger könnten sich ungünstiger entwickeln als geplant. Per Ende April waren 26 Mrd. Euro an Frankenkrediten von privaten österreichischen Haushalten ausständig, auf Firmen entfielen 5 Mrd. Euro. Zahlen zu Vorarlberg gibt es laut FMA nicht.
Grenzgänger arbeiten mehr
Die Situation für rund 8000 Vorarlberger Grenzgänger hat sich indes etwas beruhigt, sagt Herbert Fechtig, Obmann der Vorarlberger Grenzgängervereinigung. Schließlich ist der Frankenkurs für sie positiv. Weniger gut ist die Tatsache, dass aktuell für den gleichen Lohn mehr gearbeitet wird. „Im Schweizer Rheintal hat man die Stundenanzahl hochgeschraubt“, erklärt Fechtig. Rechtlich ist das gedeckt, erlaubt ist eine Höchstarbeitszeit von 45 Stunden pro Woche. Die Diskussion darüber, Grenzgänger in Euro zu bezahlen, habe sich aber beruhigt. Die meisten Betriebe seien davon abgekommen. Aber es ist noch nicht aller Tage Abend. „Viele Firmen schauen sich das bis Ende Jahr an, wie es sich entwickelt. Die Stundenerhöhung ist meist bis Ende Jahr befristet“, erklärt der Grenzgänger-Obmann. Daher gehe die Angst um, wie die Unternehmen reagieren und ob Arbeitsplatzverluste drohen. Das betreffe aber bei Weitem nicht nur Grenzgänger. Denn für die Firmen zähle nicht die Nationalität, sondern die Qualifikation.
Von einer Bezahlung in Euro sind die meisten abgekommen.
Herbert Fechtig