Gewinnen wird, wer die grauen Potenziale nutzt

Johannes Berger, Martin Bereuter, Anton Strini und Eva Häfele diskutierten. Karoline Mätzler und Harry Gatterer (kl. Bild) stellten den Report vor. Foto: D. Mathis
Trend Report sieht Umgang mit älteren Menschen entscheidend für Vorarlberger Arbeitsmarkt.
Lustenau. (VN-reh) Wunsch und Realität gehen oft auseinander. Das ist in vielen Bereichen des Lebens so. Auch am Arbeitsmarkt. Fakt ist, es gibt immer mehr Langzeitarbeitslose und vor allem auch viele ältere Menschen, die ohne Job sind. Die Arbeitswelten ändern sich, die Anforderungen steigen, Jobs vor allem im Hilfsarbeiterbereich sind weggefallen. Das ist die Realität.
Der Wunsch ist ein anderer. Zum Beispiel, dass Unternehmen ihren Fokus bei der Mitarbeitersuche stärker auf ältere Menschen richten. Aber wie soll das gelingen? Die Caritas Vorarlberg ist einen auf den ersten Blick außergewöhnlichen Weg gegangen. Man beauftragte das Zukunftsinstitut damit, die Arbeitslosigkeit mit den gesellschaftlichen Megatrends in Zusammenhang zu bringen. „Vernünftig ist es, sich schon heute über Trends und die Zukunft Gedanken zu machen“, begründet Karoline Mätzler, Fachbereichsleiterin für Arbeit und Qualifizierung der Caritas.
Entstanden ist der Trend Report „Arbeitsmarkt Vorarlberg“. Alles andere als ein hochwissenschaftliches Papier, denn das Ziel soll ein anderes sein. Nämlich Fragen aufzuwerfen, um dann gemeinsam mit Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft zu diskutieren und einen langfristigen Masterplan zu erarbeiten.
Ein erster Schritt dazu wurde gestern Nachmittag gesetzt. Mit einer Podiumsdiskussion, auf der Zukunftsinstitut-Geschäftsführer Harry Gatterer diese Fragen gemeinsam mit IV-Geschäftsführer Mathias Burtscher, Landestatthalter Karlheinz Rüdisser, AMS-Chef Anton-Strini, Blum-Personalleiter Johannes Berger, dem stv. Wirtschaftskammer-Direktor Christoph Jenny, Werkraum-Bregenzerwald-Obmann Martin Bereuter und Sozialwissenschaftlerin Eva Häfele diskutierte.
Potenzial statt Defizit
Dabei geht es ihm vor allem darum, im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit nicht von Defiziten zu sprechen, sondern das ungenützte Potenzial älterer Arbeitsloser zu sehen (siehe auch Bericht D2). In Skandinavien beispielsweise sei man nicht arbeitslos, sondern „zwischen Jobs;“ und sowieso würden die „Silver Potentials“, also Menschen, die aufgrund ihres Alters oder falscher Vorurteile keinen Job bekommen, von Unternehmen vernachlässigt. Das könne man sich schlichtweg nicht leisten. Schließlich wird nach Prognose der Statistik Austria im Jahr 2025 über ein Drittel der österreichischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 50 und 64 Jahre alt sein. „Es wird außer Acht gelassen, dass ein heute 50-Jähriger noch 15 Arbeitsjahre vor sich hat. Die Menschen bleiben länger gesund und leistungsfähig“, sagt der Zukunftsforscher. Durch diese falschen Bilder im Kopf verbrenne man unglaubliches Arbeitsmarktpotenzial. „Im Kampf um die Talente konzentriert man sich ausschließlich auf junge Menschen, dabei gibt es ausreichend ältere Talente“, so Gatterer. Wie kann man also diese „Silver Potentials“ nachhaltig in den Arbeitsmarkt integrieren? Werden Gesellschaften gewinnen, deren Haltung zu älteren Menschen sich am schnellsten transformiert? Und kann die erfolgreiche Integration älterer Arbeitsloser einen Arbeitsplatz für Bewerber sogar attraktiv machen? Das sind nur einige der Fragen, die der Trend Report aufwirft, ohne sie direkt zu beantworten.
Katastrophe droht
Vielmehr wird versucht, Vorurteile zu entkräften, zum Beispiel, dass ältere Bewerber höhere Gehaltsvorstellungen haben. „Die Gehaltsansprüche von Menschen, die langzeitarbeitslos sind, gehen oft drastisch zurück. Zudem gibt es finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite“, sagt Gatterer, der auch noch die viel zitierte Nachhaltigkeit ins Spiel bringt, denn diese impliziert längst nicht mehr nur die typisch grünen Themen. Chancen für Arbeitslose zu eröffnen, sei letztlich ein Ausweis von gelebter Nachhaltigkeit. Der Zukunftsforscher ist sich sicher: Wenn sich der Umgang mit Langzeitarbeitslosen und die Haltung gegenüber älteren Menschen nicht verändert, steuere man zielsicher auf eine Katastrophe zu.


