Der Anspruch auf den Pflichtteil

Markt / 27.11.2015 • 21:03 Uhr
Wer den Pflichtteil nicht ausbezahlen will, muss dafür gute Gründe ins Treffen führen, zum Beispiel eine Verurteilung wegen Straftaten.   

VN-Serie von Notar Manfred Umlauft zu den wichtigsten Änderungen im Erbrecht.

Enterbung und Pflichtteilsminderung. Die Pflichtteilsberechtigten haben einen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch, der grundsätzlich vom Erblasser nicht entzogen werden kann. Dieser Anspruch kann also prinzipiell auch gegen eine anderslautende letztwillige Verfügung durchgesetzt werden. Hievon bestehen jedoch schon nach der bisherigen Rechtslage und – in erweitertem Ausmaß – auch künftig nach der Erbrechtsreform die folgenden Ausnahmen:

» Der Pflichtteil kann gänzlich entzogen werden, wenn konkrete schwerwiegende Gründe (die sogenannten Enterbungsgründe) vorliegen. Solche Gründe sind insbesondere: Begehung einer schweren Straftat gegenüber dem Verstorbenen oder gegen eine seiner nahestehenden Personen; Zufügung schweren seelischen Leides gegenüber dem Verstorbenen; Verheimlichung oder Vernichtung einer letztwilligen Verfügung des Verstorbenen; gröbliche Vernachlässigung der familienrechtlichen Pflichten; Verurteilung zu einer lebenslangen oder 20-jährigen Freiheitsstrafe. Wenn ein enterbtes Kind Nachkommen hat, sind diese, auch wenn der Enterbte den Verstorbenen überlebt, an seiner Stelle pflichtteilsberechtigt. Es gibt einen weiteren Enterbungsgrund, nämlich die Verschuldung bzw. der verschwenderische Lebensstil des Pflichtteilsberechtigten: Dieser Enterbungsgrund kann jedoch nur dann zum Entzug des Pflichtteilsrechtes führen, wenn der Enterbte Nachkommen hat; diese sind dann an seiner Stelle pflichtteilsberechtigt. Die Enterbung aufgrund eines sonstigen oben angeführten Grundes kann jedoch auch dann verfügt werden, wenn der Enterbte keine Nachkommen hat.

» Der Pflichtteil kann auf die Hälfte der an sich zustehenden Pflichtteilsquote (also auf 1/4 der gesetzlichen Erbquote) gemindert werden, wenn der Verstorbene und der Pflichtteilsberechtigte zu keiner Zeit oder zumindest über einen längeren Zeitraum vor dem Tod des Verstorbenen nicht in einem Naheverhältnis standen, wie es zwischen solchen Familienangehörigen gewöhnlich besteht. Aus den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass sich der Gesetzgeber unter dem „längeren Zeitraum vor dem Tod des Verstorbenen“ eine Dauer von mindestens 20 Jahren vorstellt. Dieses Recht auf Pflichtteilsminderung steht allerdings nicht zu, wenn der Verstorbene den Kontakt zum Pflichtteilsberechtigten grundlos gemieden oder berechtigten Anlass für den fehlenden Kontakt gegeben hat. Die durch die Pflichtteilsminderung „eingesparte“ Hälfte des Pflichtteils steht den Nachkommen des pflichtteilsgeminderten Kindes zu. Die Pflichtteilsminderung tritt nicht automatisch ein, sondern sie muss – zumindest schlüssig – letztwillig verfügt werden.

Fälligkeit des Pflichtteils – Möglichkeit der Pflichtteilsstundung. Der Pflichtteil kann durch den gesetzlichen Erbteil oder durch letztwillige Zuwendungen (testamentarischer Erbteil und/oder Vermächtnis) gedeckt bzw. erfüllt werden. Soweit der Pflichtteil nicht gedeckt ist, steht den Pflichtteilsberechtigten im Ausmaß des Fehlbetrages ein Geldanspruch zu, dessen Erfüllung frühestens ein Jahr nach dem Tod des Verstorbenen verlangt werden kann. Außerdem gibt es nach der künftigen Rechtslage bedeutende Stundungsmöglichkeiten. Von „Stundung“ wird dann gesprochen, wenn die Fälligkeit des Pflichtteils(ergänzungs)anspruchs hinausgeschoben werden kann.

Pflichtteilsminderung muss letztwillig verfügt werden.

Manfred Umlauft, Notar

Lesen Sie am Montag in der nächsten Folge der VN-Serie: Fälligkeit des Pflichtteils