Keine Zeit für die richtige Arbeit
Sage keiner, in den vergangenen Jahren sei die Arbeit leichter geworden – trotz neuer Produktionsmethoden, trotz Automatisierung, trotz Industrie 4.0. Solche Prozesse verbessern die Produktion, sie machten aus der Fabriksarbeit am Fließband in unseren Betrieben echte Hightech-herausforderungen, die von entsprechend qualifizierten Mitarbeitern erledigt werden können, und nur von ihnen. Mit Anlernen geht da nicht mehr viel, die monatlichen Zahlen des Arbeitsmarktservice belegen das eindrücklich.
Die Arbeit ist dennoch nicht leichter geworden, auch wenn die körperlichen Anstrengungen weniger wurden. Sie hat sich in Sitzungszimmer und Workshoprunden verlagert. Der deutsche Management-vordenker Lars Vollmer hat untersucht, wie heute Zeit in Unternehmen verbracht wird und stellt konsterniert fest, was viele Menschen auch so gewußt haben.
Beschäftigt sind die Menschen in den Unternehmen weiterhin, allerdings oft nicht dort, wo sie etwas produzieren; eine Wertschöpfung gibt es nicht, auch wenn die meisten am Abend oder zum Wochenende gestresst nach Hause kommen. Da ähneln vor allem große Firmen oft den Beamtenburgen, die von Unternehmen zurecht kritisiert werden.
In den Unternehmen haben sich neue Rituale eingeschlichen, die zwar von vielen (und oft hinter vorgehaltener Hand) kritisiert werden, die aber bislang weiter wuchern und auch in kleineren Unternehmen Fuß fassen. Regelmäßige Meetings, Jahresgespräche, Abteilungsreports oder Powerpointpräsentationen fressen die Zeit, ohne dass sie wesentlich zur Wertschöpfung beitragen. Wie hoch die Dichte dieser Treffen sein sollte, oder ob nicht manche davon überflüssig sind, gilt es zu hinterfragen.
Die Zusammenkünfte sind gruppendynamisch und machtpolitisch vielleicht von Nutzen, zumindest für einzelne Teilnehmer, die diese Bühne gekonnt bespielen, die Vorschläge einbringen, die sie nicht selbst umsetzen müssen, die dem Chef ihre Loyalität beweisen oder die zeigen welch Individualisten sie sind. Der Output lässt, über den Kamm geschoren, zu wünschen übrig, das fand Vollmer heraus und das ist die überwiegende Meinung der Teilnehmer solcher Treffen.
Gesteigert werden kann der Meetingoverkill durch Wochenendworkshops für die besonders langfristigen Vorhaben. Manche Teilnehmer schalten dabei einfach ab und machen so weiter, wie sie es kennen: Mit dem Montags-Jour-Fix, wo darüber gesprochen wird, wie die Produktion noch wirtschaftlicher gestaltet werden kann.
Die Arbeit ist nicht leichter geworden, sie hat sich aber in Sitzungszimmer verlagert.
andreas.scalet@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-862
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