0,0 Prozent Leitzins: Massive Zweifel an EZB-Entscheidung
Ich kann mir nicht vorstellen, dass durch diese EZB-Entscheidung Investitionen in der Wirtschaft wesentlich forciert werden. Wie bei vielen Dingen ist es so, dass man Investitionen tätigt, wenn sie sinnvoll sind. Georg Comploj, GF Getzner GmbH, Spartenobmann
Industrie in der WKV
Entscheidung kam für Finanzbranche nicht überraschend. Mehr Kritik als Zustimmung für die Maßnahmen.
Frankfurt, Schwarzach. (VN-sca) Die Europäische Zentralbank (EZB) pumpt immer mehr Geld in den Markt. Zugleich brummt sie Banken höhere Strafzinsen auf, wenn die Institute Geld bei ihr parken. Damit sollen Mini-Inflation und die derzeit schwächelnde Konjunktur angekurbelt werden.
Meinung gespalten
In der Wirtschaft nimmt man die EZB-Entscheidung gespalten auf. „Ein klares Signal, alle zur Verfügung stehenden Mittel auszuschöpfen, um die europäische Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen und Deflation zu verhindern“, ist für Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl die Entscheidung der Europäischen Zentralbank, den Leitzins auf historische 0,0 Prozent zu senken. „Ohne unterstützende Maßnahmen, – insbesondere durch die Umsetzung von Strukturreformen – wird die Übung nicht gelingen“, so Leitl. Auch der Vorstandvorsitzende der Vorarlberger Landes-Hypo, Michael Grahammer, ruft nach Strukturreformen des Staates, ansonsten sieht er die gestern beschlossenen Maßnahmen der EZB klar als Schritt in die falsche Richtung (siehe auch unten).
Der deutsche Wirtschaftsforscher Hans Werner Sinn, Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) sieht die Bank ebenfalls auf dem falschen Weg. „Dass die EZB nun beschlossen hat, den konkursgefährdeten Banken Südeuropas Langfristkredite zu einem negativen Zins von 0,4 Prozent zu geben, beweist einmal mehr, dass sie eine fiskalische Umverteilungspolitik zur Rettung von Zombiebanken und fast konkursreifen Staaten betreibt. Diese Umverteilungspolitik ist keine Geldpolitik, und es fällt der EZB immer schwerer, sie als eine solche zu verkaufen. Da sie sich durch den Europäischen Gerichtshof gedeckt sieht, wagt sich die EZB immer weiter über die Grenzen ihres Mandats hinaus.“
Börsen im Minus
Die Aktienmärkte nahmen die EZB-Ankündigungen begeistert auf und bauten ihre Kursgewinne deutlich aus, so lag der Euro-Stoxx-50 zwischenzeitlich über 3,7 Prozent im Plus. Mit der Euphorie war es schnell wieder vorbei. Die Börsen drehten mit dem aufgewerteten Euro schließlich deutlich ins Minus.
Ich halte diese Maßnahmen für einen Fehler – sie werden verpfuffen. Jetzt sind aber die Staaten aufgefordert, Strukurmaßnahmen zu ergreifen. Für Sparer hat das keine Auswirkungen haben, man kann nicht in den negativen Bereich gehen. Michael Grahammer, Vorstandsvorsitzender Hypo
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank greifen und erfolgreich sind. Es hat keinen Einfluss ob der Leitzins nun auf 0,05 oder auf 0 Prozent ist. Für uns ist das kein Grund, jetzt mehr oder weniger zu investieren. Gerhard Blum, GF Julius Blum GmbH
Meiner Ansicht nach müsste die EZB nach dem jetzt doch erkennbar gescheiterten Versuch, über die Niedrigzinsphase Wachstum und Inflation zu erzeugen, zur Kenntnis nehmen, dass diese Politik den Weg in eine Sackgasse bedeutet.
Wilfried Hopfner, Raiffeisenbank Vorarlberg