„Das digitale Bezahlen wird sich durchsetzen“

Nichts weniger als die digitalen Weichen für die Zukunft werden in Lech gestellt.
Lech. Seit gestern beraten rund 100 Entscheidungsträger aus der EU-Kommission, aus Industrie, Telekommunikation, Konsumenten und Vertreter der Zivilgesellschaft beim Europa Forum Lech über die digitale Zukunft Europas. Die Veranstaltung hat bereits Tradition, die Teilnehmer schätzen nicht nur die Lecher Gastfreundschaft, sondern vor allem den überschaubaren Kreis, der zielgerichtet diskutiert und netzwerkt. Günther Oettinger, bis 2014 EU-Kommisar für Energie, führt eines der wichtigsten Ressorts in Brüssel. Als Kommissar für Digitale Wirtschaft & Gesellschaft obliegt ihm die Aufgabe, Europa im digitalen Wettbewerb nach vorne zu bringen. Die VN sprache mit dem Schwaben am Rande des Forums über die wichtigsten Themen:
» Digitaler Binnenmarkt. „Europas Wirtschaft ist nach wie vor führend bei der Produktion von Autos, Maschinen, Nahrungsmitteln. Diese Führungsrolle soll durch den digitalen Binnenmarkt auch in den neuen Technologien entwickelt werden. Wir sind durch unsere Maßnahmen auf dem Weg zu dieser Wettbewerbsfähigkeit.“ Wichtig sei der Abbau nationaler Hemmnisse. Derzeit gebe es Vorschriften in 28 fragmentierten Silos der EU-Mitgliedstaaten. Wer heute etwa in Europa aktiv werden wolle, benötige 28 Rechtsanwälte, um die unterschiedlichen
Datenschutzregeln einzuhalten.
» Europäisches 5-G-Netz. „Für digitale Dienste aller Art ist 5 G die notwendige Infrastruktur. Die Kommission hat eine Forschungspartnerschaft mit der Industrie geschlossen. Bis 2020 soll 5G in der Union eingeführt sein.“ Der Aufbau des europäischen 5G-Netzes werde für die industrielle Entwicklung existenziell wichtig sein. 5G wird den mobilen Austausch von Daten in Millisekunden ermöglichen Es geht dabei vor allem um den Austausch von Daten zwischen Maschinen.
» Standards für Industrie 4.0. „Neben den technischen Voraussetzungen wie dem 5-G-Netz wird es wichtig sein, die nationalen Netze zu einem übergreifenden europäischen Netzwerk zu verbinden, nationale Regeln abzubauen und gemeinsame Standards zu schaffen. Österreich ist in dieser Diskussion ein ganz wichtiger Partner.“ Die Harmonisierung der Standards soll Europa konkurrenzfähig zu Ländern wie den USA oder Korea machen und rund vier Millionen neue Arbeitsplätze schaffen.
» Netzneutralität. „Die Netzneutralität haben wir mit der Gesetzgebung auf europäischer Ebene geregelt, denn es darf im Netz keine Benachteiligungen für irgendjemand geben. Alle Daten sollen gleich schnell transportiert werden.“
» Roaminggebühren. „Die Roaminggebühren werden im März 2017 endgültig Vergangenheit sein, schon jetzt stellt sich die Telekommunikationswirtschaft darauf ein und bietet ihren Kunden diese Vorteile. Unser Ziel ist ein Gebührensystem für den Transport aller Daten, das sich rein an den Kosten und nicht an den geografischen Grenzen orientiert. Dafür werden wir alles unternehmen.“
» Ende des Bargelds. „Ich halte nichts von der Abschaffung des Bargelds per Gesetz. Aber ich glaube, dass sich andere Formen, wie Zahlen mit Handy, durchsetzen. Und wir sollten alles tun, damit digitale Finanztransaktionen auf höchstem Niveau ermöglicht und geschützt werden.“
Aufgaben
Zielvorgaben für die Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien
» Rechtsetzungsschritte zur Verwirklichung des vernetzten digitalen Binnenmarkts
» Reform der EU-Telekommunikationsvorschriften und Konzept zur EU-weiten Verwaltung der Funkfrequenzen
» Modernisierung des Urheberrechts
» Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit des Datenverkehrs im Internet
Zur Person
Günther Oettinger
Geboren: 15. Oktober 1953 in Stuttgart
Ausbildung: Studium Jura und Volkswirtschaftslehre in Tübingen
Laufbahn: ab 1984 Rechtsanwalt. 1988-2005 Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Oettinger und Partner, 2005 bis 2010 Ministerpräsident Baden-Württemberg, 2010 bis 2014 EU-Kommissar für Energie, seit 2014 EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft
Familie: liiert, ein Sohn
Vom Europa Forum Lech berichten Tony Walser, Andreas Scalet (Text) und Bernd Hofmeister (Fotos).