Lebenslauf mit Makel

Währt beim Lebenslauf Ehrlichkeit am längsten? Eine Karriereberaterin machte die Probe aufs Exempel.
BEWERBUNG. (cro) Was steht in Lebensläufen nicht alles geschrieben. Wahre Superhelden bewerben sich für Jobs. Echte Alleskönner, die scheinbar keine Schwächen aufweisen. Für ein Experiment wählte die deutsche Karriereberaterin und Autorin Svenja Hofert den umgekehrten Weg. Sie ließ einen ihrer Klienten – einen kaufmännischen Leiter im Alter von Mitte 40 – Lebensläufe verschicken, in denen der Bewerber ehrlich angibt, was er kann und was er nicht kann. Zu Letzterem zählte etwa Präsentieren, Programmieren oder „verhandlungssicher Französisch sprechen“. Der Lebenslauf mit Schwächen wurde an 50 Unternehmen geschickt. Und trotz der Angaben von Schwächen bekam der kaufmännische Leiter zwölf Einladungen zum Vorstellungsgespräch. In den Vorstellungsgesprächen wurde der Kaufmann direkt auf seine Schwächen angesprochen. „Die Personaler waren über so viel Ehrlichkeit überrascht – angeblich durchaus positiv“, erzählte die Karriereberaterin dem „Spiegel“ in einem Interview.
In New York machte der 29-jährige Jeff Scardino ein ähnliches Experiment. Er schickte unter zwei verschiedenen Namen zehn klassische Bewerbungen und zehn „ehrliche Bewerbungen“ mit Fehlleistungen, Mankos und Karriereumwege an die gleichen Unternehmen. Das überraschende Ergebnis: Nur ein Unternehmen reagierte auf den klassischen Lebenslauf. Auf die ehrliche Bewerbung hingegen reagierten acht – von fünf wurde Scardino sogar zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Einige der Personaler lobten seine Ehrlichkeit. Es sei sehr erfrischend gewesen, „einen anderen Ansatz zu sehen, wenn man Hunderte Bewerbungen im Jahr erhalte“, sagte einer.
Bereitschaft, sich zu verbessern
Es kann durchaus zum Erfolg führen, fehlende Skills aktiv und ehrlich anzuführen, bestätigen Personalexperten. Wichtig dabei ist, dass die Bereitschaft durchklingt, seine Fähigkeiten in diesen Bereichen ausbauen zu wollen. „Denn wenn man bis dato etwas nicht gut kann, heißt das ja nicht, dass man es nicht lernen kann“, betont Svenja Hofert.
Was jedoch außer Frage steht, ist, dass die Kernkompetenz vorhanden ist. Wer sich beispielsweise auf eine Dolmetscherstelle bewirbt, wird auch mit Ehrlichkeit nicht punkten, wenn man die Fremdsprache nicht ausreichend beherrscht. Und ein Software-Entwickler muss natürlich mit dem Programmieren vertraut sein. Die eine oder andere Schwäche darf es jedoch schon sein. Abhängig ist dies jedoch, für welchen Job man sich bewirbt. Wer in der Kreativbranche arbeitet, der kann sich da etwas weiter hervorwagen wie jemand, der sich für eine Bankstelle bewirbt. Auf jeden Fall sollte ein Lebenslauf etwas aussagen und keine Allgemeinfloskeln – wie dass man „hochqualifiziert“ oder „topmotiviert“ sei – enthalten. Besser ist es, sich genau über das Unternehmen zu erkundigen und herauszufinden, welche Qualitäten besonders gefragt sind.