Die Zukunft der Fachkräfte soll zum Kern-Thema werden
Vorarlberger Delegation bei Bundeskanzler Kern: Hoffnung für den Blum-Bonus-Neu.
Wien. 10.442 Ausbildungsbetriebe haben sich seit 2008 gänzlich aus der Lehrlingsausbildung verabschiedet. Bis 2017 wird es in Österreich um über 30.000 betriebliche Lehrabsolventen weniger geben: Ein Lehrstellenschwund, der größer sei als die demografische Entwicklung, zeigt der ehemalige Lehrlingsbeauftragte der Bundesregierung und Russ-Preis-Träger, Egon Blum, auf. Für ihn ist die Situation dramatisch und zudem gefährlich für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum. Zahlen, die auch Grass-Betriebsratschef und ÖGB-Landesvorsitzender Norbert Loacker alarmieren. Dazu steht die Metallerlohnrunde an, wo doch eine Umfrage gerade ergab, dass in den Betrieben bis auf Ausnahmen zwar die Auftragsbücher voll sind, diese aber Sonderschichten abstellen müssen, weil ihnen die Fachkräfte fehlen. Die Sorge um die Facharbeiter veranlassten Loacker dazu, bei Bundeskanzler Christian Kern vorstellig zu werden. So ergab sich nicht nur in Rekordzeit ein Termin, Kern nahm sich für die Vorarlberger Delegation auch eine Stunde Zeit.
Zur Chefsache machen
Es war ein konstruktives Gespräch, bei dem der Kanzler sehr auf Details eingegangen ist, bestätigt Loacker, der gleichsam Selbstkritik übt. Schließlich hätten die Spitzen der Sozialpartner seit der Abschaffung des Blum-Bonus bei der Thematik weggeschaut. „Jetzt kann man weiterjammern oder die Sache in die Hand nehmen.“ Sein Wunsch ist, dass der Kanzler dies nun zur Chefsache macht und die Idee aus Vorarlberg aufnimmt. „Die Zukunft der Facharbeiter muss zum Kern-Thema werden.“ Mit einem Blum-Bonus-Neu könnten jedenfalls viele Betriebe ins Boot geholt werden, ist der Gewerkschafter überzeugt, auf dessen Wunsch auch sein Stellverteter Wolfgang Fritz, Grass-Lehrlingsbeauftragter Dominik Steinwidder sowie zwei Spezialisten mit nach Wien gereist waren.
Der eine ist Egon Blum. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern sei Kern die Lehre wichtig, ist er nach dem Gespräch überzeugt. Durch den Blum-Bonus, der 2008 abgeschafft wurde und bei dem die Lehrbetriebe einen Unterstützungsbetrag pro zusätzlichem Lehrling bekamen, seien über 12.500 zusätzliche betriebliche Lehrstellen geschaffen worden. Ein Blum-Bonus-Neu ist für Blum daher ein “Problemlösungs- und Zukunftsmodell”. Betriebe sollen dabei sowohl für bestehende als auch für zusätzliche Lehrstellen eine Unterstützung bekommen. Zudem soll es einen Treuebonus geben. Auch müsse die Kontrolle der Ausbildungsfortschritte zur Mitte der Lehrzeit wieder eingeführt werden. Dass dieses Modell viel kostet, will Blum nicht gelten lassen. Neben dem Kostenunterschied zwischen dem, was der Staat für die Lehrausbildung gegenüber den schulischen Bildungswegen ausgibt, gebe es den Refinanzierungseffekt, da die Betriebe für jeden Lehrling Abgaben entrichten müssen.
Wertigkeit der Lehre stärken
Martin Dünser, der zweite Spezialist an Bord, der mit seinem Unternehmen get up maßgeschneiderte Ausbildungsmodule für Lehrlinge sowie Fach- und Führungskräfte entwickelt, stellte dem Kanzler sein neuestes Projekt vor. In einem Ausbildungsverbund bringt er Lehrlinge mit Studenten der TU Wien zusammen. Die Details sind noch geheim, jedoch sei das Projekt weltweit einzigartig, wie Dünser erklärt. Es gehe darum, die Wertigkeit der Lehre zu stärken. Vom Bundeskanzler vernahm er ebenfalls ehrliches Interesse, auch weil das Projekt ohne staatliche Mittel finanziert wird.
Christian Kern will sich alles detalliert ansehen und sich dann melden. Eines ist für Loacker jedenfalls klar: „Das Teuerste ist es, wenn Jugendliche auf der Straße sitzen und Betriebe ihre Maschinen abstellen müssen.“