“Mehrheit der Österreicher hat dieses Herumwursteln satt”
Konjunktur-Abwärtstrend: Industriellenvereinigung sieht Land am wirtschaftspolitischen Scheideweg.
Lustenau. (VN-reh) In Österreich werde politisch nur über neue Steuern, weniger Freihandel und mehr Einfluss des Staates diskutiert, kritisiert Mathias Burtscher, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Vorarlberg gegenüber den VN, „statt über Entlastungen für die Wirtschaft und die Bevölkerung zu sprechen“. Für ihn steht das Land nun am „wirtschaftspolitischen Scheideweg“. Denn wenn bei
den New-Deal-Verhandlungen nichts rauskomme, sei es besser, neu zu wählen. „Ich bin mir sicher, die Mehrheit der Österreicher hat dieses Herumwursteln satt“, sagt Burtscher.
Umfrage bestätigt
Bestätigt sieht sich die Industriellenvereinigung auch in der aktuellen Konjunkturumfrage unter 45 Vorarlberger Industrieunternehmen mit über 22.600 Beschäftigten, die jedes Quartal zusammen mit der Wirtschaftskammer erhoben wird. Denn der Geschäftsklimaindex, als Mittelwert der Einschätzung zur aktuellen Geschäftslage und jener in sechs Monaten, sank dabei neuerlich leicht von 25,6 auf 20,2 und ist damit der schlechteste Wert seit zwei Jahren. Zwar sei man nach wie vor auf positivem und stabilem Niveau, allerdings laufe man Gefahr, deutlich an Schwung zu verlieren, merkt Burtscher an. Und ein nicht unerheblicher Grund dafür seien eben die schlechter werdenden wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen vor allem auf Bundesebene.
Abwärtstrend umdrehen
Wirtschaftspolitische Impulse sind also für die Industriellenvereinigung das Gebot der Stunde. Nur so könne dieser sich abzeichnende Abwärtstrend umgedreht werden. Bundeskanzler Christian Kern will mit dem Projekt eines „New Deal“ vor allem die private Investitionsbereitschaft stärken. „Uns geht es bei den aktuellen New- Deal-Verhandlungen einerseits um eine Flexibilisierung der Arbeitszeit in den Betrieben, also beispielsweise um die gesetzliche Möglichkeit, bis zu zwölf Stunden zu arbeiten. Andererseits geht es um investitionsfördernde Maßnahmen wie eine Körperschaftssteuersenkung auf nicht entnommene Gewinne oder Investitionsfreibeträge für alle Unternehmen“, betont der Geschäftsführer der Industriellenvereinigung weiter.
Für 12-Stunden-Tag
Gerade der 12-Stunden-Tag sorgte aber bereits im Vorfeld für viel Kritik – vor allem seitens der Gewerkschaft. „Bei einer Anhebung der zulässigen Tagesarbeitszeit auf zwölf Stunden geht es nicht darum, den Menschen bezahlte Überstunden wegzunehmen oder in Summe mehr zu arbeiten. Es geht darum, dass ein 12-Stunden-Tag, wie er in der Praxis bei Auftragsspitzen vorkommt, gesetzlich erlaubt sein soll. Diese Flexibilisierung brauchen die Unternehmen im internationalen Wettbewerb“, will Burtscher den Vorschlag richtig verstanden wissen.
Karten neu mischen
Letztlich nehme der Reformunwille auf Bundesebene erschreckende Maße an. „Wenn in den kommenden Wochen in diesen unsicheren Zeiten keine wirtschaftspolitischen Entscheidungen getroffen werden, ist es besser die
Karten neu zu mischen“, merkt IV-Geschäftsführer Burtscher an. In diesem Fall wären das dann die Wahlkarten.
Das Land steht am wirtschaftspolitischen Scheideweg.
Mathias Burtscher
Branchenergebnisse
» Maschinen- und Metallindustrie: Sie gibt, ausgehend von hohem Niveau, den leicht negativen Trend vor. Bis auf den Beschäftigtenstand und die Ertragssituation weisen alle Indikatoren ein Minus vor. Der steigende Druck auf die Verkaufspreise ist klares Anzeichen für den härteren Wettbewerb.
» Nahrungs- und Genussmittelindustrie: Lichtblick sind die gut gehenden Exporte, weniger optimistisch sind die Einschätzungen zu Beschäftigtenstand in drei Monaten und aktueller Ertragssituation.
» Textilindustrie: Leichte Erholung auf bescheidenem Niveau. Besonders verbessert haben sich die aktuelle Geschäftslage, die Geschäftslage in sechs Monaten und die Prognose zum Beschäftigtenstand in drei Monaten.
» Elektro- und Elektronikindustrie: hier sind die positivsten Signale zu vernehmen. Über zwei Drittel der befragten Unternehmen sprechen von guter Geschäftslage, steigenden Auftragsbeständen und Auslandsaufträgen. Hemmend bleibt der Druck auf die Verkaufspreise.