Die Natur macht es uns vor

Neue Werkstoffe auf Siegeszug: Wissenschaft adelt Spinnenseide zum „Heiligen Gral“.
Lustenau. (ha) Auf der Suche nach neuen Werkstoffen werden Materialwissenschaftler auch im Pflanzen- und Tierreich fündig. Dass sie sich zunehmend von der Natur inspirieren lassen, hat gute Gründe: Gelingt es, natürliche Werkstoffe mit besonderen Eigenschaften, entstanden im Laufe von Millionen Jahren, im Labor nachzubauen, eröffnen sich viele Möglichkeiten für die Entwicklung neuer Materialien in verschiedensten Anwendungsbereichen.
Einer, der es wissen muss, ist Dr. Thomas Scheibel von der Universität Bayreuth. Im Rahmen der 41. Innovation)night im Competence Center Rheintal gab er spannende Einblicke in seine Forschungstätigkeit. Angetan haben es ihm unter anderem die Spinnen. Und er brachte die niedlichen Tierchen zu Demonstrationszwecken sogar nach Lustenau mit. Das Interesse des Professors weckten schon vor Jahren die Spinnfäden, mit denen sie ihre Netze bauen. Dafür verwenden die Krabbler bis zu fünf verschiedene Baumaterialen mit teilweise komplett unterschiedlichen Eigenschaften. Sie alle sind extrem reißfest, dehnbar und haben auch entzündungshemmende Wirkungen. Kein Wunder, dass die Spinnenseide inzwischen als „Heiliger Gral“ der Materialwissenschaften gilt.
Biotechnischer Nachbau
Das Problem ist, dass die Tiere selbst nur kleinste Mengen produzieren. „Es wäre deshalb höchst unsinnig, mit Spinnen zu arbeiten“, weiß Scheibel und verriet die Lösung des Problems: Die Seidenmoleküle werden biotechnisch hergestellt. Das Pulver aus reinem Protein kann dann mittels komplizierter Verfahren zu Werkstoffen umgewandelt und für verschiedenste Zwecke verwendet werden.
Eine immer wichtigere Rolle spielen die Seidenfäden der Spinne in der Medizin. „Sie können an und im Menschen verwendet werden“, so Scheibel. Als Beispiel nennt er die Beschichtung von Silikon-Implantaten mit Spinnenfäden, die unerwünschte Reaktionen verhindern. Inzwischen wird die feine Seide auch in der Tiermedizin verwendet.
Auch in anderen Bereichen setzt das Material seinen Siegeszug fort. Mit winzigen Fäden beschichtete Staubsaugerbeutel helfen, Energie zu sparen. Sie sind bereits im Handel erhältlich und kosten kaum mehr als herkömmliche Staubfänger.
Nach weiteren Anwendungsmöglichkeiten wird gesucht. Unter anderem in Bayreuth, wo man die Technik studieren kann. Der Weg vom Grundprodukt bis zum fertigen Werkstoff kann allerdings dauern, oft mehrere Jahre lang. Und die Forschungsarbeit kostet viel Geld. „Man braucht Investoren mit einem langen Atem“, weiß Professor Scheibel. Wenn sich ein neues Produkt aber dann zum Renner entwickelt, was in vielen Fällen sehr wahrscheinlich ist, dann winkt das große Geschäft.




Hartenberger.


