Ein nobles Palais für die E-Commerce-Pioniere

Lauterach. (VN-sca) Der Unternehmer Peter Ritter liebte es extravagant. Deshalb war die Geschichte seines Versandhandels „Ritter Mode“ auch eine Erfolgsgeschichte der Nachkriegszeit, dokumentiert mit dem kolossalen Palais Ritter in Lauterach mit seinen Putten und Sgraffiti, mit barocken Wandelgängen und einer Villa auf dem Dach. Obwohl das Palais wie aus der Zeit gefallen erscheint, funktioniert es auch heute. Allerdings nicht mit Mode, wie Monika Schindler-Greiter und Hanns Schindler, die Haus und Firma übernahmen, zuerst geplant hatten. Heute ist das Haus Heimat eines Vorarlberger E-Commerce-Pioniers, der 2016 seinen zwanzigsten Geburtstag feiert.

Nach fünf Jahren gesetzten die Schindlers statt auf Textilien auf das Unternehmen MH Direkt, in einer Zeit, als es nicht üblich war, wichtige Geschäftsbereiche wie die Logistik und den Vertrieb außer Haus zu geben, wie sich Hanns Schindler erinnert. Die ersten zehn Jahre war es mühsam, die großen Firmen vom Angebot zu überzeugen, doch mit der Zeit legten zahlreiche namhafte Unternehem ihr Onlinegeschäft in die Hände der Lauteracher. Heute, nach zwanzig Jahren, hat MH Direkt längst nichts mehr mit Mode zu tun, dafür betreut das Unternehmen rund 40 Firmen aller Branchen und bietet ihnen das volle E-Commerce-Programm vom Direct Marketing über die Lagerhaltung  und -bewirtschaftung, den Versand bis hin zum Zahlungsmanagement an. Fullfillment nennt sich das und wird von so unterschiedlichen Kunden wie Interspar, Kraft, DMG Mori, Tyrolit oder Omicron in Anspruch genommen. Daneben hat Philipp Schindler, der seit 2014 Geschäftsführer des Unternehmens ist, den eigenen Shop Radbag etabliert, der besondere Gadgets und Geschenksartikel führt.

„Wir sind sowas wie ein kleiner Amazon“, beschreibt der Absolvent der Wirtschaftsuniversität St. Gallen, der seit 2007 im Unternehmen ist, kurz und präzise das Geschäftsmodell. Nur, dass MH Direkt und das Tochterunternehmen B2B direkt mit dem Namen der Kunden auftreten. 220 Mitarbeiter (150 in Lauterach, 70 in Schanghai) zählt der E-Commerce-Pionier inzwischen, vor Weihnachten packen 50 weitere Mitarbeiter an, um der verstärkten Nachfrage gerecht zu werden. Rund zwei Millionen Pakete wurden heuer umgeschlagen. Im Callcenter herrscht babylonisches Sprachgewirr. Die Anfragen werden in 25 Sprachen entgegengenommen. Neben dem europäischen Markt entwickelt sich, so Schindler, auch der Standort China, der 2007 gegründet wurde, sehr gut.