Nur Verschnaufpause für Diesel

Markt / 02.08.2017 • 22:47 Uhr
Beim Dieselgipfel in Berlin einigten sich Politiker und Autoindustrie auf eine neue Abbgassoftware und einen Bundesfonds für umweltfreundliche Mobilität. FOTO: REUTERS
Beim Dieselgipfel in Berlin einigten sich Politiker und Autoindustrie auf eine neue Abbgassoftware und einen Bundesfonds für umweltfreundliche Mobilität. FOTO: REUTERS

Obwohl es als „Nationales Forum Diesel“ betitelt wurde, erwartet die ganze Welt Antworten vom Dieselgipfel.

Berlin. (VN) Millionen Fahrzeugbesitzer bangten dem Dieselgipfel der deutschen Bundesregierung entgegen. Im Vorfeld der Veranstaltung „Nationales Forum Diesel“ wuchsen sich die Stellungnahmen von Politikern, Umweltorganisationen und der Automobilindustrie zu einem wahren News-Tsunami aus. Während die einen hofften, dass nach dem Gespräch, das am Mittwoch um 11 Uhr begann und am späten Nachmittag endete, die Probleme auf eine sachliche Ebene zurückgeführt werden, warnten Kritiker davor, zu große Hoffnung in das Treffen zu setzen.

Die ausgehandelten Maßnahmen gelten vorderhand für Deutschland. Doch die Ergebnisse sind auch für Österreich und viele andere Länder relevant. In Vorarlberg sind derzeit 113.000 Dieselfahrzeuge zugelassen. Für deren Besitzer geht es um zwei Dinge: Wo darf ich in Zukunft noch fahren? Und was ist mein Auto jetzt noch wert? Auf den volkswirtschaftlichen Schaden durch den Wertverlust hat bereits der Sprecher des Vorarlberger Fahrzeughandels, Manfred Ellensohn, in den VN hingewiesen. Im ersten Halbjahr sind ob der Verunsicherung die Zulassungen von Dieselfahrzeugen in Vorarlberg von 58 Prozent im Vergleichszeitraum 2016 auf 52 Prozent gefallen. Doch was wurde nun beschlossen beim Dieselgipfel? Politik und Autobauer haben Leitlinien beschlossen, damit weniger Schadstoffe in die Luft gelangen.  Neue Abgassoftware in rund 5,3 Millionen in Deutschland zugelassenen Dieselautos soll den Ausstoß des Atemgiftes Stickoxid zurückdrängen und drohende Fahrverbote in Städten verhindern. Das ist das Kernergebnis, das Kritiker für viel zu zahm halten. Es hagelte massive Kritik. Die Konzerne versprachen Updates der Abgasreinigung, aber keine Umbauten am Motor.

Autofahrern sollen dadurch keine Kosten entstehen. Deutschlands Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nannte die Beschlüsse „eine sinnvolle Basis“ für eine schnelle Reduzierung von Emissionen. Dagegen gab es harsche Kritik von Umweltverbänden, denen die Ergebnisse nicht weit genug gehen. Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bewertete die Gespräche mit der Branche deutlich skeptischer. Die Debatte um mögliche Dieselfahrverbote in großen Städten dürfte weitergehen.

Dobrindt erklärte, neben der zugesagten Software-Umrüstung würden sich die deutschen Hersteller an einem Bundesfonds für umweltfreundlichere Mobilität, der mit 500 Mill. Euro gefüllt werden soll, in Städten beteiligen. Und er holte gleichzeitig zu einem Schlag gegen nichtdeutsche Autohersteller aus. Er kritisierte es als „vollkommen inakzeptabel“, dass diese sich bisher nicht in gleicher Weise verpflichtet hätten. Die deutsche Bundesregierung werde zudem ihre Förderung für die Umrüstung von Bussen und Taxis sowie für Radwege erhöhen.

Dessen ungeachtet fordert der Sprecher der österreichischen Automobilimporteure, Günther Kerle, auch in Österreich wichtige Fragen zum Thema Verbrennungsmotoren ehestmöglich zu klären, um damit Rechts- und Planungssicherheit zu gewähren. Und die Liste Peter Pilz hat bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft einen Strafantrag gegen VW eingebracht. Es geht um den Vorwurf manipulierter Abgasmessungen aber auch um die Bildung eines Kartells. Die Diskussion um die Stilllegung von Dieselfahrzeugen bzw. Fahrverbote ist jedenfalls nicht beigelegt, das zeigen die zahlreichen Reaktionen nach Präsentation der Ergebnisse. Das Forum sorgte allenfalls für eine Verschnaufpause.

In der Debatte zum Diesel werden unqualifizierte Aussagen von Umweltpolitikern getroffen, die die Autofahrer sehr verunsichern. Es ist zu hoffen, dass das Thema jetzt wieder sachlich diskutiert wird.
              Christoph Gerster, Auto Gerster

In der Debatte zum Diesel werden unqualifizierte Aussagen von Umweltpolitikern getroffen, die die Autofahrer sehr verunsichern. Es ist zu hoffen, dass das Thema jetzt wieder sachlich diskutiert wird.

Christoph Gerster, Auto Gerster

Dass der Diesel eine saubere Antriebstechnologie sein kann, wissen wir seit Langem. Die Automobilindustrie muss aber endlich liefern und die notwendigen Mittel hierfür in die Hand nehmen. 
              Ulrich Klaus Becker, Vizepräsident ADAC

Dass der Diesel eine saubere Antriebstechnologie sein kann, wissen wir seit Langem. Die Automobilindustrie muss aber endlich liefern und die notwendigen Mittel hierfür in die Hand nehmen. 

Ulrich Klaus Becker,
Vizepräsident ADAC

Regierung und Autobranche haben das Treffen vor die Wand gefahren. Es ist zweifelhaft, ob die Updates reichen, um Fahrverbote zu vermeiden. Auch die Stilllegung ist nicht vom Tisch. Klaus Müller, Verbraucherschutzzentrale

Regierung und Autobranche haben das Treffen vor die Wand gefahren. Es ist zweifelhaft, ob die Updates reichen, um Fahrverbote zu vermeiden. Auch die Stilllegung ist nicht vom Tisch.

 Klaus Müller, Verbraucherschutzzentrale

Das Ergebnis ist mager, es wäre für Umwelt und Konsumenten mehr drinnen gewesen. Technische Nachrüstungen, die maßgebliche Abgaseinsparungen mit sich bringen, fehlen zur Gänze.  Jörg Leichtfried, österreichischer Verkehrsminister

Das Ergebnis ist mager, es wäre für Umwelt und Konsumenten mehr drinnen gewesen. Technische Nachrüstungen, die maßgebliche Abgaseinsparungen mit sich bringen, fehlen zur Gänze. 

Jörg Leichtfried, österreichischer Verkehrsminister