Der Durchbruch gelang im Gotthard-Tunnel

Markt / 03.08.2017 • 19:20 Uhr
Kaspar Winkler tüftelte zeitlebens an neuen Produkten.
Kaspar Winkler tüftelte zeitlebens an neuen Produkten.

Vom Thüringer Schwabenkind zum Erneuerer der Bauchemie.

Baar, Schwarzach. (VN-sca) Damit war nicht zu rechnen: Kaspar Winkler hatte einen schweren Start ins Leben. 1872 in eine arme Thüringer Schuhmacher- und Bauernfamilie hineingeboren, war sein Schicksal eigentlich schon vorgezeichnet. Er musste Geld verdienen. Seine Eltern schickten ihn als Schwabenkind zur Arbeit ins nahe Ausland. Wie diese Kinder litten, wie sie ausgebeutet wurden, ist dokumentiert. Die Ära zählt zu den dunkelsten Kapiteln unseres einst unter der Armut ächzenden Landes.

Die richtige Idee 1906

Bei seiner Arbeit als Kinderhirte verlor der junge Kaspar auch noch ein Auge. Doch unterkriegen ließ sich Winkler durch die harte Kindheit nicht. Genau das Gegenteil trat ein: Die schier ausweglose Situation trieb ihn an. Er eignete sich handwerkliche Fähigkeiten an, wurde Maurer und arbeitete schließlich bei den Schweizerischen Granitwerken. Schon dort begann er nebenbei, praktisch ohne finanzielle Mittel und auch zeitlich sehr stark eingeschränkt, mit ersten Versuchen rund um die Entwicklung von Materialien für den Bau. 1906 war ein entscheidendes Jahr im Leben des „Gastarbeiters“. Er beschäftigte sich zum ersten Mal mit Bauchemie. Zu der Zeit hatte es Winkler schon weit gebracht: Er war fest angestellter Betriebsleiter der Zürcher Filiale der Granitwerke.

Abdichtung für Mauerwerk

Seine Tüfteleien waren nie als Hobby gedacht, sie sollten marktfähig sein und Geld bringen. Nach einem ersten erfolglosen Versuch als Unternehmer zwischen 1902 und 1905 wagte er 1910 nochmals den Schritt in die Selbstständigkeit. Grundlage für das neue Geschäft waren vom Vorarlberger entwickelte Produkte zum Schutz und zur Reinigung von Granit, zudem entwickelte er ein Produkt zur Beschleunigung des Abbindens und Erhärtens von Mörtel und Beton, das gleichzeitig auch abdichtet. Seine Idee, dafür Silizium- und Kalium-Kalzium-Mischungen zu verwenden, welchen er den Name Sika gab, erwies sich als goldrichtig. Damit begann der Aufstieg zum Weltunternehmen, das heute auf jeder Baustelle der Welt präsent ist.

Die Reaktionen der Kundschaft waren vielversprechend. Große Unternehmen machten ihm Mut, doch der Erste Weltkrieg bereitete auch der Schweizer Wirtschaft Sorgen. Die ganz große Chance tat sich auf, als Winkler den Auftrag bekam, 67 Tunnels mit einer Mischung von Portlandzement-Mörtel und Sika abzudichten, nachdem der erste Versuchsauftrag, der Gotthardtunnel, trocken blieb. Für die Abdichtung musste Winkler eine fünfjährige Garantie geben. Die Garantie wurde weit überschritten, der Auftrag brachte ordentlich Geld und vor allem Reputation in der Branche.

Forschung ist Konzern-DNA

Das Unternehmen wuchs, Winkler gründete bereits 1919 einen Ableger in seiner Heimat Vorarlberg. Das Werk Bangs gibt es bis heute. Es beschäftigt knapp 100 Mitarbeiter und setzt 78 Millionen Euro um. Forschung und Innovation sind bis heute die DNA des Konzerns, der in 97 Ländern 170 Produktionsstandorte betreibt und sechs Milliarden Franken Umsatz macht. Im ersten Halbjahr 2017 betrug der Gewinn 285 Mill. Franken. 18.000 Mitarbeiter werden beschäftigt.

Die Geschäfte der Sika AG, die in der Bauchemie Marktleader ist, aber auch Industrien beliefert, laufen trotz einer unerfreulichen Schlacht um die Besitzverhältnisse gut. Die Nachkommen Winklers wollen ihre Anteile an den Baustoffkonzern Saint-Gobain verkaufen. Doch das Management wehrt sich seit zwei Jahren mit allen Mitteln dagegen. Für die Erben des Thüringer Hütebuben geht es um knapp drei Milliarden Euro für ihren noch 17-prozentigen Anteil am Konzern.

Sika lieferte nicht nur die richtigen Produkte, man war auch mit Experten bei großen Bauprojekten vor Ort. Fotos: Keystone, Sika
Sika lieferte nicht nur die richtigen Produkte, man war auch mit Experten bei großen Bauprojekten vor Ort. Fotos: Keystone, Sika
Moderne Fabrikation der Sika AG in einem Werk des Bauchemiekonzerns, der heute in 97 Ländern 170 Werke und Vertriebsniederlassungen hat.
Moderne Fabrikation der Sika AG in einem Werk des Bauchemiekonzerns, der heute in 97 Ländern 170 Werke und Vertriebsniederlassungen hat.

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