Herr Geigers glücklicher Ausflug in die Provence

Das französische Kosmetikunternehmen L’Occitane holte Naturkosmetik aus der Nische.
Paris, Schwarzach. (VN-sca) Dass der Dornbirner Reinold Geiger einmal in der Kosmetikbranche reüssieren würde, war auf keinen Fall vorherzusehen. Denn sein Interesse ging in eine ganz andere Richtung. Er absolvierte das Diplomstudium im Maschinenbau an der renommierten Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) und das Masterstudium an der weltberühmten Insead Business School. Was sich schon damals zeigte: Geiger zog es in die weite Welt.
Drang in die Fremde
Der Drang in die Fremde wurde ihm vom Vater eingepflanzt: „Mein Vater war Tischler und hat mir immer begeistert von seinen Jahren auf der Walz erzählt. Ich war abenteuerlustig und machte mich nach meinem Studium auch auf meine Wanderjahre. Ich wollte nach New York, nach London, Paris und Rio de Janeiro. Per Zufall bin ich in Paris geblieben, habe geheiratet und meine erste Firma aufgebaut.“
Ab dem Jahr 1978 baute der Vorarlberger in der französischen Hauptstadt eine Verpackungsfirma auf, die AMS Packaging Company. Dort schnupperte er auch erstmals in die Schönheitsbranche, er spezialisierte sich nämlich auf die Herstellung von Kosmetikverpackungen.
In seinem Business lernte er die kleine Firma L’Occitane und deren Gründer Olivier Baussan kennen. Der Franzose, mehr Schöngeist und Philosoph denn Geschäftsmann, hatte die Vision, die Produkte der Provence – Essenzen von Mandeln, Orangen, Eisenkraut, Honig und Oliven – in Kosmetika zu verwenden. „So viel Natur wie möglich“, lautete seine Devise, die viel Potenzial hatte, das allerdings nur bei einer viel zu kleinen Konsumentengruppe verfing. Auch weil die Naturkosmetikszene Berührungsängste mit der Marktwirtschaft pflegte.
Kurz und gut, die kleine Firma trat trotz gutem Ruf und ebensolchen Produkten auf der Stelle. Er habe sich dennoch für die Produkte interessiert und war davon überzeugt, dass die Firma internationale Entwicklungsmöglichkeiten habe, sagt der Dornbirner Weltbürger über die wahrscheinlich beste, vor allem aber lukrativste Entscheidung seines Lebens.
Möglichkeit zum Investieren
Seine Verpackungsfirma hatte er um gutes Geld verkauft, deshalb schaute er sich nach einer guten Geschäftsidee um, in die er einsteigen könnte. Er wagte 1987 den Sprung ins kalte Wasser. Als er 1995 schließlich die Mehrheit an L’Occitane übernahm, machte das Unternehmen einen Umsatz von acht Millionen Euro und beschäftigte 60 Mitarbeiter. Allerdings entwickelte sich das Geschäft noch immer nicht so, wie er sich das bei seinem Einstieg vorstellte. Die Firma drohte zu scheitern, wenn nicht etwas passierte.
Operative Geschäftsleitung
Das war der Startschuss für den Dornbirner, selbst die Zügel in die Hand zu nehmen. „Ich wollte meine Pleite zumindest selbst verantworten“, begründet er seinen Einstieg ins operative Geschäft des Kosmetikherstellers, der französisches Savoir-vivre verströmt. Damit begann die Transformation vom alternativen Cremenhersteller zum Global Player in der Kosmetikbranche. Glück und die Tatsache, dass man statt moderner Managementmethoden einfach darauf fokussiert war, „ein Problem nach dem anderen zu lösen“, haben aus der Fast-Pleite eine beispiellose Erfolgsgeschichte gemacht. Dabei spielte ihm und Gründer Bausson, der auch nach der Übergabe der Geschäftsführung an Bord blieb, das veränderte Konsumentenbewusstsein in die Hände, die statt Chemie inzwischen auf Natur Wert legen.
Bis 2010 wurde aus der Firma ein international agierendes Unternehmen mit knapp 4000 Mitarbeitern. Heute sind es 8371 Mitarbeiter, die in Produktionsbetrieben des Kosmetikherstellers und in den 1463 eigenen Boutiquen in über 85 Ländern arbeiten, außerdem werden die Kosmetika bei 3000 Händlern vertrieben. Seit 2010 ist der Konzern an der Hongkonger Börse gelistet. Der Umsatz betrug im Geschäftsjahr 2015 knapp 1,28 Milliarden Euro. Geiger wird von Forbes auf ein Vermögen von 1,3 Milliarden Euro taxiert.


Morgen: Der Buchhändler
von New York und weitere
Auswanderergeschichten.