Halbzeit beim Tunnel auf Weltrekord-Niveau

Markt / 22.08.2017 • 20:30 Uhr
Beim Bau fallen 17 Millionen Kubikmeter Gesteinsschutt an, das entspricht fast sieben Cheops-Pyramiden. BBT
Beim Bau fallen 17 Millionen Kubikmeter Gesteinsschutt an, das entspricht fast sieben Cheops-Pyramiden. BBT

Der Brenner Basistunnel ist bisher im Zeitplan, aber manche Fragezeichen bleiben.

Innsbruck. (VN) „Das ist klassische Tunnelluft“, sagt Andrea Lussu. Es riecht nach verbranntem Streichholz, nach kleinsten Steinchen, nach einer Prise feuchtem Keller. 35 Sprengungen pro Tag allein in diesem Bauabschnitt hinterlassen ihre spezielle Duftmarke. Der 41-jährige Lussu ist Projektleiter beim Bau des zehn Milliarden Euro teuren Brenner Basistunnels (BBT) zwischen Österreich und Italien. Kein anderes Verkehrs-Vorhaben wird so von der EU gefördert – nämlich mit vier Milliarden Euro. Kein anderes Vorhaben wird in Teilen Bayerns so bekämpft – nämlich von Gemeinden, auf deren Gebiet die Bahnstrecke wegen der angestrebten verkehrsreicheren Zufahrt zum Tunnel aus- oder neu gebaut werden soll.

Es ist jedenfalls ein Bauwerk der Superlative, das jetzt praktisch Halbzeit feiert. Inklusive der bereits bestehenden Umfahrung von Innsbruck wird der BBT zur geplanten Eröffnung 2026 mit 64 Kilometern der längste Tunnel der Welt sein und den Gotthard-Tunnel in der Schweiz um sieben Kilometer übertreffen. Die Gesamtlänge der beiden Hauptröhren, des Erkundungsstollens und der Verbindungs- und Zufahrtswege beträgt 230 Kilometer. „Das ist auch absoluter Weltrekord“, sagt Tunnel-Chef Konrad Bergmeister (58).

2,2 Millionen Lkw

Vor zehn Jahren begann alles mit dem Ausbrechen eines Erkundungsstollens, in etwa zehn Jahren soll das Mega-Vorhaben endlich den Personen- und vor allem den europäischen Güterverkehr auf der Schiene beflügeln. Der Grund: Nach ersten Schätzungen werden sich 2017 rund 2,2 Millionen Lastwagen über den 1370 Meter hohen Brennerpass quälen. Der Brenner trägt mit 40 Prozent die Hauptlast im Frachtverkehr über die Alpen.

Für Zugreisende wird der Tunnel die Fahrt gen Süden attraktiver denn je machen. Die Fahrzeit zwischen Innsbruck und Franzensfeste in Südtirol verringert sich von 90 auf 25 Minuten. Wer von München nach Verona will, wird bei vollem Ausbau des gesamten Korridors nur noch vier statt sieben Stunden brauchen.

Zur Halbzeit zieht Bergmeister erleichtert Bilanz. „Ich bin dankbar, dass wir jetzt so weit sind.“ Insgesamt 70 Kilometer, davon 15 Kilometer Hauptröhren, sind durch Sprengungen und mithilfe der gewaltigen Tunnelbohrmaschinen geschafft. Mit 1600 Tonnen Druck fräsen sich die mechanischen Ungetüme aus Stahl bis zu 20 Meter täglich durch den Berg.

Respekt vor Zukunft

Die bisher größte Herausforderung: Beim Vortrieb brach so viel Gestein herunter, dass ein 14 Meter hoher Hohlraum entstand. „Wir haben diesen Abschnitt mit vielen Stahlträgern gesichert und die Kaverne mit Beton verfüllt. Da bleibt man demütig“, sagt Bergmeister und zeigt Respekt vor dem, was noch kommen mag. Ihm macht eine drohende bröckelige Gesteinsschicht Sorgen. Fester Granit wäre so viel schöner.